16. Dezember 2014 | M.Sc.-Met. Andreas Würtz
Bringt uns Tief ENGEL den Winter?
In den letzten Tagen zogen wie an einer Perlenschnur aufgereiht immer wieder Tiefdruckgebiete von der Ostküste Kanadas über den Atlantik in Richtung Nordeuropa. Diese brachten Deutschland eine überwiegend wechselhafte und teils stürmische Wetterphase.
Nachdem heute der Ausläufer von Tief DORIS ihr "Unwesen" in einigen
Regionen Deutschlands treibt, steht bereits das nächste
Tiefdruckgebiet mit dem Namen ENGEL über dem Nordatlantik in den
Startlöchern.
Was hat nun der ENGEL im Gepäck? Vielleicht den Winter?
Die Grafik zeigt wie (un)wahrscheinlich Weiße #Weihnachten in #Deutschland sind. 2014? Mittwoch mehr auf diesem Kanal pic.twitter.com/OuxAfgOpOe
— DWD (@DWD_presse) 15. Dezember 2014
Bevor wir dieser Frage nachgehen, schauen wir zunächst einmal auf die
Entstehung von ENGEL. Den Ursprung findet Tief ENGEL bei Kap Farvel
an der Südspitze Grönlands. Dort kam es am gestrigen Montag zu einem
markanten Kaltluftausbruch über der Labradorsee in Richtung Süden.
Mit Unterstützung der Orografie des grönländischen Kontinents wurde
durch verschiedene physikalische Wechselwirkungen in der Atmosphäre
Tief ENGEL vor der Südspitze Grönlands "geboren". Sein Kerndruck
betrug am Dienstag 00 UTC etwa 986 hPa.
Durch die sehr günstige Lage von Tief ENGEL zum Verlauf des
Jetstreams (schmales, bandartiges Starkwindfeld in der oberen
Troposphäre, das u. a. die Entwicklung von Tiefdruckgebieten
forciert) kommt es bei seiner östlichen Verlagerung in Richtung
Island zu einer rasanten Tiefentwicklung, die sich in einem
deutlichen Druckfall des Tiefzentrums äußert.
Am Mittwochmorgen soll ENGEL Island erreicht haben und einen
Kerndruck von ungefähr 955 hPa aufweisen. Der Höhepunkt der
Entwicklung wird für den frühen Mittwochnachmittag mit einem Druck
zwischen 950 und 955 hPa erwartet. Nachfolgend bleibt dieses Tief
unter Abschwächung bis zum Freitag nahezu stationär über Island
liegen, bevor es seine Reise in Richtung Skandinavien fortsetzt.
Welchen Einfluss hat nun ENGEL auf unser Wetter in Deutschland?
Wirft man einen Blick auf die derzeitige Druckverteilung über
Westeuropa, so steht Tief ENGEL ein ausgeprägtes Azorenhoch
gegenüber. Diese Konstellation wird auch morgen bzw. am Donnerstag in
etwa so vorzufinden sein. Zwischen diesen beiden Druckzentren werden
mit einer kräftigen westlichen Strömung recht milde Luftmassen vom
Atlantik nach Mitteleuropa geführt.
Diese milden Luftmassen erreichen uns mit Durchzug einer Warmfront im
Laufe des morgigen Mittwochs. Dabei setzt die Erwärmung zunächst im
Westen und Nordwesten ein und greift dann im Tagesverlauf auf die
östlichen und südlichen Landesteile über. Die größten Auswirkungen
der Zufuhr dieser milden Meeresluft auf die Temperatur zeigen sich
zunächst nur im äußersten Westen und Nordwesten. Dort werden bereits
Höchstwerte zwischen 7 und 9 Grad erreicht.
Mit der Warmfront gehen aber auch wieder teils länger anhaltende
Niederschläge einher, die zunächst bis in tiefere Lagen in Form von
Schnee fallen können. Die Schneefallgrenze steigt jedoch mit Passage
der Warmfront relativ schnell auf über 1000 m an. Im Stau der
östlichen und südöstlichen Mittelgebirge kann sich die Kaltluft noch
etwas länger halten, sodass der Anstieg der Schneefallgrenze etwas
verzögert wird. Jedoch wird sich auch dort mehr und mehr der Regen
durchsetzen, womit das Schneetreiben vielerorts nur von kurzer Dauer
sein wird.
Zudem spielt der Wind eine Rolle, da mit weiterer Verlagerung von
Tief ENGEL in Richtung Nordeuropa die Druckgegensätze über
Deutschland allmählich zunehmen. Dies führt bei allgemein auflebendem
Wind zu einzelnen Windböen bis 60 km/h (Bft 7) im küstennahen
Tiefland sowie in den westdeutschen Mittelgebirgen und zu stürmischen
Böen bzw. Sturmböen (Bft 8 bis Bft 9) an der Küste und auf den
höheren Berggipfeln.
Somit bringt ENGEL weder den Winter noch großartige Schneemengen mit
sich, sondern läutet erneut einen eher recht milden, teils
stürmischen und regenreichen Wetterabschnitt ein.
Ein kurzer Blick auf das Wettergeschehen am Donnerstag bestätigt dies
noch einmal. Neben verbreitet auftretenden Regenfällen legt der Wind
im Vergleich zum Vortag noch etwas zu. So können in mittleren Lagen
verbreitet Windböen, in höheren Lagen sowie an der Küste stürmische
Böen und Sturmböen auftreten. In exponierten Gipfellagen sind dann
auch schwere Sturmböen möglich.
Darüber hinaus haben sich dann die milden Luftmassen im gesamten
Bundesgebiet durchgesetzt, was sich in einem deutlichen Anstieg der
Maximumtemperaturen äußert. So lassen Temperaturen von 6 bis 9 Grad
in den östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen sowie an den Alpen
und 10 bis 14 Grad in den restlichen Regionen Deutschlands eher auf
einen frühlingshaften Wettercharakter schließen.
Engel bringt uns also den Frühling und geht nicht als Vorbote für
weiße Weihnacht in die Annalen ein.
© Deutscher Wetterdienst
Bild: DWD
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