Facebook Twitter
Drucken
10. Januar 2025 | MSc.-Meteorologe Sebastian Schappert

Tief "Charly" und die Grenzwetterlage - Ein Rückblick

Tief "Charly" und die Grenzwetterlage - Ein Rückblick

Datum 10.01.2025

Am gestrigen Donnerstag zog Tief "Charly" über Deutschland hinweg und sorgte für eine Wetterzweiteilung: Vor allem in der nördlichen Mitte traten kräftige Schneefälle auf, im Süden war bei Höchstwerten von 14 Grad und einem stürmischen Wind an Schnee überhaupt nicht zu denken.

Bereits am Mittwoch (08.01.2025) bereitete Tief "Bernd" das Feld für eine ansprechende Grenzwetterlage. Auf seiner Westflanke strömte polare Meeresluft in den Norden Deutschlands, die gute Voraussetzungen für winterliche Wettererscheinungen bot. Tief "Charly" beeinflusste zu diesem Zeitpunkt mit seiner Warmfront bereits den Süden. Dabei traten die Niederschläge in verschiedenen Phasen als Regen, Schneeregen und als Schnee auf. Eine signifikante Schneedecke bildete sich dort jedoch lediglich im Bergland aus. In tieferen Lagen waren die Belagstemperaturen meist zu warm und der fallende Schnee taute rasch wieder weg.

Die Warmfront erreichte am Mittwochabend eine Linie vom südlichen Nordrhein-Westfalen über den Thüringer Wald bis ins sächsische Vogtland. Dabei gingen die Niederschläge auf der "kalten Seite" der Warmfront nach Norden zu immer häufiger in Schnee über. Selbst im Rhein-Main-Gebiet konnte sich vorübergehend eine dünne Schneedecke ausbilden. Auf der "warmen, südlicheren Seite" der Front fielen die Niederschläge jedoch als Regen, der die zuvor gefallenen Schneemengen rasch "auffraß".


Deutschlandkarte zeigt Modelltemperatur in 650 Metern Höhe sowie die in 2 Metern Höhe gemessene Temperatur am Donnerstagmorgen. Dabei ist es in Norddeutschland frostig, im Süden ist die Temperatur zweistellig. (Quelle DWD)
Deutschlandkarte zeigt Modelltemperatur in 650 Metern Höhe sowie die in 2 Metern Höhe gemessene Temperatur am Donnerstagmorgen. Dabei ist es in Norddeutschland frostig, im Süden ist die Temperatur zweistellig. (Quelle DWD)


Im Verlauf der Nacht zum Donnerstag kam die Luftmassengrenze dann quer über der nördlichen Mitte zum Liegen. Die Schneefälle zogen im Laufe der Nacht über den Osten ab, sonst fiel meist Regen. Durchaus beschaulich waren dabei die Luftmassengegensätze. Während es im Norden gebietsweise leichten Frost gab, wurden in den Frühstunden (!) des Donnerstags am Oberrhein sehr milde 14 Grad gemessen.


Deutschlandkarte mit Animation der aus dem Radar abgeleiteten Niederschlagsphase. Dabei fällt in der nördlichen Mitte Schnee, nach Süden zu durchweg Regen. (Quelle DWD)
Deutschlandkarte mit Animation der aus dem Radar abgeleiteten Niederschlagsphase. Dabei fällt in der nördlichen Mitte Schnee, nach Süden zu durchweg Regen. (Quelle DWD)


Am Donnerstag näherte sich Tief "Charly" dann von Benelux her an und zog im Tagesverlauf über Hessen und Thüringen hinweg, um am Abend dann die Lausitz zu erreichen. Dabei sorgte "Charly" für kräftige Hebung, sodass sich die Niederschläge intensivieren konnten. Auf der kalten, nördlichen Seite gingen diese bis in tiefe Lagen in Schnee über. Innerhalb von wenigen Stunden kamen etliche Zentimeter an Neuschnee zusammen. Selbst in Metropolregionen wie dem Ruhrgebiet und in Berlin kam es zu einem Wintereinbruch und der Ausbildung einer Schneedecke. In einigen Staulagen kamen von der Eifel, über das Sauer- und Siegerland bis zum Harz sogar rund 20 Zentimeter an Neuschnee zusammen, lokal dürften es sogar noch etwas mehr gewesen sein. Entsprechend kam es zeitweise zu Einschränkungen der Infrastruktur und glättebedingten Unfällen. Mit dem Durchschwenken der Kaltfront von "Charly" ließen schließlich auch im Osten die Schneefälle wieder nach.


Zusammenstellung verschiedener Bilder von Donnerstag, die eingeschneite Landschaften zeigen. (Quelle DWD-WarnWetter-App)
Zusammenstellung verschiedener Bilder von Donnerstag, die eingeschneite Landschaften zeigen. (Quelle DWD-WarnWetter-App)


Ein anderes Bild stellte sich dagegen in den südlicher gelegenen Landesteilen - sozusagen auf der warmen Seite von "Charly" - ein. Insbesondere südlich von Mosel und Main konnten zweistellige Tageshöchstwerte verzeichnet werden. Von Schnee war hier also keine Spur. Die Niederschläge gingen als Regen nieder. Zudem frischte auch der Wind stürmisch auf. Spannend wurde es dort dann mit dem Durchzug der Kaltfront von "Charly" am Donnerstagnachmittag und -abend. Dabei kam es sogar zu einzelnen Gewittern und einer kurzzeitigen Windverstärkung. Örtliche wurden dabei schwere Sturmböen, lokal sogar orkanartige Böen über 105 km/h gemessen. Diese sorgten teils für umstürzende Bäume und somit für Behinderungen und Straßensperrungen. In Hermeskeil (Rheinland-Pfalz) riss der Wind ein Bushäuschen mit. Dabei wurden drei Menschen verletzt. In einigen Orte in Rheinland-Pfalz kam es darüber hinaus kurzzeitig zu Stromausfällen.


Kartenausschnitt der Südhälfte Deutschlands. Das Radarbild zeigt die Kaltfront, die am Nachmittag vom Thüringer Wald bis in die Schweiz reicht und gewittrig durchsetzt ist. Dazu zeigen Zahlenwerte die Windgeschwindigkeit der vergangenen Stunde an. (Quelle
Kartenausschnitt der Südhälfte Deutschlands. Das Radarbild zeigt die Kaltfront, die am Nachmittag vom Thüringer Wald bis in die Schweiz reicht und gewittrig durchsetzt ist. Dazu zeigen Zahlenwerte die Windgeschwindigkeit der vergangenen Stunde an. (Quelle


Rückseitig der Kaltfront floss polare Kaltluft ein, die die Warmluft im Süden ausräumte und in der Nacht zum Freitag dann den Südosten Deutschlands erreichte. Insgesamt ließen die Niederschläge nach, wenngleich weitere Schneeschauer von Nordwesten hier und da noch für etwas Schnee-Nachschub sorgten.

Am heutigen Freitag und am Wochenende baut sich nun Hoch "Beate" über Mitteleuropa auf, die für eine Wetterberuhigung sorgt. Zunächst bleibt uns die polare Kaltluft erhalten, sodass es insbesondere in den Nächten nach Süden zu klirrend kalt werden kann. Im Laufe der nächsten Woche stehen die Zeichen jedoch auf einer allmählichen Erwärmung, sodass es dem Schnee wieder an den Kragen geht.



© Deutscher Wetterdienst

Themenarchiv:

14.02. - Winterliches Wochenende

13.02. - Schlechte Luft

12.02. - Großwetterlagen im bisherigen Winter

11.02. - „Frühlingshafte“ Milde und fehlendes Eis in der Arktis

10.02. - Brauchen wir in den kommenden Tagen wieder mal den Regenschirm?

09.02. - Blockierende Hochdrucklagen und extreme Wetterereignisse über Europa

08.02. - Kann das Wetter die Wahlen beeinflussen?

07.02. - Wetterrückblick: Der eisige Februarstart 2012

06.02. - Massiver Hochdruckeinfluss mit Überraschungspotenzial

05.02. - Lokaler Schneefall trotz Hochdruckwetter?

04.02. - Eine abenteuerliche Entwicklungsgeschichte: Die Erdatmosphäre!

03.02. - Wie wirkt sich das Winterwetter auf Insektenpopulationen aus?

02.02. - Deutschlandwetter im Januar 2025

01.02. - Winterwetter mit Chance auf Polarlichter

31.01. - Über die Erfindung des Barometers

30.01. - Heikle Lawinenlage in den Hochlagen der Alpen

29.01. - Tag des Griesgrams

28.01. - Schneearmut im Winter 2024/2025

27.01. - Wie Eis und Schnee die Straßen wirklich brüchig machen

26.01. - Winterzwischenbilanz | Großteil der Kälte eigenproduziert

25.01. - Tag der Wetterbeobachtung

24.01. - Éowyn - eine erste Bilanz

23.01. - Éowyn – ein sehr gefährlicher Sturm für die Britischen Inseln

22.01. - Wenn Regen zur Flut wird: Wie der DWD in Leipzig den Hochwasserbehörden in Mitteldeutschland zur Seite steht.

21.01. - Winter 2024/2025 Quo Vadis?

20.01. - Orkantief vor den Toren Westeuropas

19.01. - Phänomen Nebel - Teil 3: Verdunstungs- und Mischungsnebel

18.01. - Hochdruckphänomene im Winter

17.01. - Massenbleiche am Great Barrier Reef wird stark von lokalen Wetterbedingungen beeinflusst

16.01. - Gefrierender Regen und Glatteis