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27. August 2017 | Dipl.-Met. Thomas Ruppert

HARVEYs Ende?

HARVEYs Ende?

Datum 27.08.2017

In der Nacht zum gestrigen Samstag landete der Hurrikan HARVEY an der texanischen Golfküste nordöstlich der Großstadt Corpus Christi und verursachte dort sowie in der weiteren Umgebung durch Windgeschwindigkeiten in Orkanstärke, sintflutartige Regenfälle sowie deutlich über den astronomischen Tiden liegende Sturmfluten. Nach Medienberichten ist HARVEY der schwerste tropische Wirbelsturm in Texas seit fünfzig Jahren.

Hurrikan HARVEY ist neben neun "Tropischen Tiefdruckgebieten" und acht "Tropischen Stürmen" der dritte und bisher stärkste Hurrikan der Atlantischen Saison 2017. Auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung am Freitagabend hatte er bei einem Kerndruck von 938 hPa Windgeschwindigkeiten von bis zu 116 Knoten (ca. 215 km/h, "1-min-sustained-wind-speed" laut Definition des US-amerikanischen National Hurricane Centers).

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HARVEY entstand bereits am 13. August morgens als flaches "Tropisches Wellentief" südwestlich der Kapverdischen Inseln und entwickelte sich dank Wechselwirkung mit einem ausgedehnten Geopotentialtrog zum Tropischen Sturm, der sich dann allerding wider Erwarten in sein Anfangsstadium zurück entwickelte. Diese rudimentäre Störung zog westnordwestwärts über die Karibik hinweg und wuchs im Golf von Mexiko erneut zu einem Tropischen Sturm auf, der sich rasch verstärkte und am Freitagabend die (zweithöchste) Stufe 4 auf der Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala erreichte. Schließlich begann in der Nacht zu Samstag die Landung an der Golfküste bei Corpus Christi.

Unter der Landung (engl. "Landfall") eines Hurrikanes versteht man den Vorgang, bei dem das Zentrum bzw. Auge des Wirbelsturmes die Küstenlinie überquert. Dann entstehen die schwersten Schäden, insbesondere im Bereich der sich ringförmig um das Auge erstreckenden, hoch reichenden Gewitterwolken (engl. "Eyewall"). Dort überlagern sich die stärksten Windböen mit den heftigsten Regenfällen, dazu kommt das Maximum der vom Wirbelsturm verursachten Flutwellen. Aber auch bereits Stunden vor dem eigentlichen Landgang macht sich der herannahende Wirbel durch sein Sturmfeld und ergiebige Niederschläge bemerkbar.

Da tropische Wirbelstürme über Land von der sie speisenden Energiequelle, dem warmen Meerwasser, abgeschnitten werden, verlieren sie relativ schnell an Kraft. Sie verbleiben meist noch wenige Tage als "unstrukturierte" Tiefdruckgebiete. Insbesondere dann, wenn Gebirge ihren Weg kreuzen, setzen sie dabei ihre Energie in wolkenbruchartigen Regenfällen frei. Werden Inseln oder Landengen überquert, können Wirbelstürme ihre Kraft erhalten oder sich danach über ausreichend warmem Meerwasser sogar erneut regenerieren.

Obwohl nunmehr an Land, gibt HARVEY so rasch nicht auf! Laut einigen Vorhersagemodellen hält er sich mindestens bis zur Mitte der kommenden Woche über dem küstennahen Binnenland im südlichen Texas. Da er weiterhin feucht-warme Luft aus dem Golf von Mexiko in seine Zirkulation einbezieht, muss wiederholt mit katastrophalen Regenmengen gerechnet werden, die gebietsweise 600 bis 800 mm (1 mm = 1 L/m²) erreichen können.

Unten finden Sie zwei während HARVEYs Landung aufgenommene infrarote Satellitenbilder (GOES-E 10,8 µm) vom Samstag, den 26.08.2017, 00:00 und 12:00 Uhr UTC. Die fette weiße Linie ist die texanische Golfküste. Ergänzt wurden die Aufnahmen durch Berechnungen der Windgeschwindigkeit (Isotachen in Knoten, engl. [kt], 1 Knoten = 1,852 km/h) des ECMWF-Vorhersagemodells. Dabei wird um 00:00 Uhr UTC im Zentrum ein Windmaximum von 116 kt = 215 km/h berechnet. Die Windpfeile signalisieren neben dem Betrag der Windgeschwindigkeit die "zyklonale" Rotation des Wirbels, die auf der Nordhalbkugel entgegen dem Uhrzeigersinn erfolgt.



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