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24. August 2017 | Dipl.-Met. Robert Hausen

70 Jahre Ballonaufstiege in Lindenberg - eine kleine Zeitreise

70 Jahre Ballonaufstiege in Lindenberg - eine kleine Zeitreise

Datum 24.08.2017

Vor kurzem feierten die Ballonaufstiege am Meteorologischen Observatorium in Lindenberg 70-jähriges Bestehen. Welche Entwicklungen und Rekorde während dieser Zeit zu verzeichnen waren, wird im Folgenden näher beschrieben.

Die Meteorologischen Observatorien des Deutschen Wetterdienstes in Lindenberg sowie auf dem Hohenpeißenberg (ältestes Bergobservatorium der Welt!) sind nicht nur deutschland- sondern weltweit essentiell für die Wetter- und Klimaüberwachung. Neben der Datenerfassung und -auswertung der "üblichen" meteorologischen Parameter wie Temperatur, Wind, Feuchte, etc. sind langjährige Zeitreihen diverser Strahlungsgrößen, Turbulenzprozesse in den untersten Schichten der Atmosphäre sowie Vertikalprofile von Ozon und anderer Spurengase - insbesondere in Zeiten des Klimawandels - von immenser Bedeutung und Gegenstand zahlreicher Studien.


Meteorologisches Observatorium Lindenberg
Meteorologisches Observatorium Lindenberg


Vor kurzem feierte das Observatorium Lindenberg, das im Jahre 1905 vom Meteorologen Richard Aßmann als Königlich-Preußisch Aeronautisches Observatorium gegründet wurde, 70-jähriges Jubiläum von Routinemessungen mit Radiosonden. Die Erforschung der Atmosphärenschichten, deren Eigenschaften unabhängig von den Bodeneinflüssen sind (freie Atmosphäre), bildete dabei seit jeher einen der Arbeitsschwerpunkte.

Während es in den ersten Jahren Drachen- und Fesselballonaufstiege waren, die Parameter und Prozesse in der Atmosphäre erfassten, ließ man in der Folge freifliegende Ballone mit Registriergeräten starten. Diese stoßen zwar in größere Höhen vor, konnten aber erst nach dem Auffinden auf der Erde ausgewertet werden. Daher forderte der damalige Observatoriumsdirektor Hugo Hergesell (1914-1932) die Entwicklung einer drahtlosen kontinuierlichen Datenübertragung per Funk, die 1930 erstmals in Form detaillierter Temperaturangaben aus 14,5 km Höhe (Stratosphäre) in die Tat umgesetzt wurde. Im nächsten Schritt bestand nun die Herausforderung darin, eine hohe Messgenauigkeit zu erzielen. Dafür mussten die Sonden vor dem Start möglichst exakt mittels der vorherrschenden Daten am Boden angeeicht werden. Nach der Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 beschloss der Kontrollrat der Alliierten ein Jahr später den Wiederaufbau eines Wetterdienstes in den vier Besatzungszonen und beauftragte Paul Beelitz als Direktor des mittlerweile umbenannten Aerologischen Observatoriums Lindenberg (AOL) mit der Rekonstruktion eines Radiosondenmessnetzes.

Der offizielle Beginn des operationellen Radiosondenaufstiegsdienstes in Lindenberg war am 15. Juli 1947. Um 13:00 Uhr wurde eine Radiosonde mit einem wasserstoffgefüllten Ballon gestartet, um die vertikale Verteilung von Temperatur, Luftfeuchte, Luftdruck und Wind in der freien Atmosphäre zu messen und zur Bodenstation zu funken. Ab diesem Zeitpunkt wurden jeden Tag eine Radiosonde und zwei Pilotballone zur Höhenwindmessung losgeschickt, was 1949 auf zwei Radiosondenaufstiege aufgestockt wurde. 1957 wurde die Zahl der Radiosondierungen auf vier pro Tag zu den heute noch geltenden Zeiten (0, 6, 12, 18 UTC) erweitert.

Ein entscheidender technischer Fortschritt erfolgte 1974 mit Einführung der METEORIT-II Station, die es erlaubte die Daten digital zu erfassen, womit die Voraussetzung der automatischen Datenauswertung geschaffen wurde. Nach der Entwicklung eines automatischen Empfangssystems (AES-1) und dem Erstellen entsprechender EDV-Programme durch Mitarbeiter des Lindenberger Observatoriums wurden unter Nutzung des Zentralrechners des Meteorologischen Dienstes der DDR die Aufstiege vollautomatisch ausgewertet.

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurde der Meteorologische Dienst der DDR am 03.10.1990 in den Deutschen Wetterdienst (DWD) eingegliedert, womit das Meteorologische Observatorium Lindenberg (MOL) als solches am 01.01.1991 eingerichtet wurde. Dazu gehörte wenige Jahre später auch die Rekonstruktion der historischen Ballonhalle. Seit Juli 2004 erfolgt die Windmessung über GPS, das heutzutage allgegenwärtige Satellitennavigationssystem zur Positionsbestimmung. Dabei wird aus der Verlagerung des Senders während des Aufstiegs der jeweilige Wind in den verschiedenen Höhen abgeleitet.

Wenn Sie sich für weitere, insbesondere technische Details interessieren, können Sie diese gerne im ursprünglichen Artikel "70 Jahre Routinemessungen mit Radiosonden in Lindenberg" von den Kollegen Dr. Ruud Dirksen und Daniella Piela auf unserer Homepage unter:

http://www.dwd.de/DE/forschung/atmosphaerenbeob/lindenbergersaeule/rao_download/aktuell_2017_03.html

nachlesen.

Zum Abschluss noch eine Zusammenstellung interessanter Extremwerte, die in den vergangenen 70 Jahren Lindenberger Aufstiege registriert wurden: - Größte Aufstiegshöhe: 43 500 m (10.09.1976, 18 UTC) - Niedrigste Temperatur in der Höhe: -88,5 °C in 23 809 m Höhe (03.02.2016, 12 UTC) - Höchste Windgeschwindigkeit: 137,5 m/s (495 km/h) in 34 058 m Höhe (07.01.2016, 12 UTC) - Weiteste Flugstrecke: ca. 2 500 km (28.10.1970), Fundort: Kurdzhipskaya (Georgien)



© Deutscher Wetterdienst

Bild: DWD