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07. April 2017 | MSc.-Met. Sebastian Schappert

Faszination Wirbelstraße

Faszination Wirbelstraße

Datum 07.04.2017

Mithilfe von Satelliten lassen sich immer wieder riesige Wolkenwirbel beobachten, die im Windschatten einer Insel oder Inselgruppe stromabwärts ziehen. Die sogenannten "Kármánschen Wirbelstraßen" sind dabei nicht nur für uns Meteorologen ein Augenschmaus.

Bereits 1910 entdeckte der ungarische Ingenieur und Mathematiker Theodore von Kármán ein faszinierendes Phänomen, das als "Kármánsche Wirbelstraße" bekannt werden sollte. Dabei handelt es sich um ein Phänomen aus der Strömungsmechanik, das bei ausreichender Strömungsgeschwindigkeit im Windschatten eines Hindernisses anzutreffen ist. Dort kommt es an einem umströmten Körper zu einer alternierenden Wirbelablösung. Diese Wirbel werden dann mit der Strömung stromabwärts transportiert. Somit entsteht ein regelmäßiges Muster aus zwei versetzten Reihen von Wirbeln mit entgegengesetztem Drehsinn. Dass dieses Muster als "Straße" bezeichnet wird, liegt übrigens an der Ähnlichkeit zu den gleichmäßig gegeneinander versetzten Fußstapfen von Passanten.


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Eine Wirbelstraße kann unter anderem hinter einem Flugzeug oder auch anhand der Wolkenfelder bei der Umströmung aus dem Meer ragender Inselgruppen beobachtet werden. Beispiele findet man häufig im Windschatten der Kanarischen Inseln (siehe Bild 1 vom 29.07.2016, Quelle: https://go.nasa.gov/2p82HQZ), der Insel Tristan da Cunha im Südatlantik (siehe Bild 2 vom 14.07.2010) oder Guadalupe vor der Westküste Mexikos, der Jan Mayen Insel im Nordmeer oder der Juan-Fernández-Inseln im südöstlichen Pazifik. Allerdings ist ihr Auftreten nicht nur auf Wolken beschränkt. Wirbelstraßen lassen sich grundsätzlich in allen gasförmigen und flüssigen Stoffen nachweisen und treten recht häufig auf, auch wenn sie dabei nicht immer für das menschliche Auge sichtbar sind.

Bekannt wurde die Kármánsche Wirbelstraße wohl auch durch den tragischen Einsturz der zu ihrer Zeit erst kürzlich fertiggestellten Tacoma-Narrows-Brücke, einer nahezu zwei Kilometer langen Hängebrücke in Washington (USA) im Jahre 1940. Diese fing bereits bei geringen Windgeschwindigkeiten zu schaukeln an, was ihr auch den Spitznamen "Galloping Gertie" (dt. "galoppierende Gertie") verschaffte. Am Vormittag des 7. Novembers 1940, nach nur vier Monaten Betriebszeit, lösten allerdings stürmische Böen plötzlich heftige, spiralförmige Drehbewegungen der Brücke aus, die sich immer weiter verstärkten bis die Brücke nach etwa einer halben Stunde den Belastungen nicht mehr standhielt und 60 Meter in die Tiefe stürzte.

Als Ursache fand man später, dass sich an den Rändern der Brückenverkleidung Wirbel periodisch ablösten und sich eine Kármánsche Wirbelstraße ausbildete, die die Brücke zum Schwingen anregte. Unglücklicherweise glich die Ablösefrequenz der Wirbel der Eigenfrequenz der Brücke, wodurch ein sogenannter "Resonanzfall" eintrat. D. h. durch die äußere Anregung in einer ganz bestimmten Frequenz, der Eigenfrequenz der Brücke, verstärkten sich die periodisch auf die Brücke einwirkenden dynamischen Kräfte und somit auch die von ihr ausgehenden Schwingungen immer weiter. Dabei wurde die Fahrbahn teilweise um bis zu neun Meter aus ihrer normalen Lage gehoben und zeitweise um 45 Grad nach links und rechts verdreht, sodass man meinen könnte, die Brücke sei aus Gummi. Als sie schließlich den auf sie einwirkenden Kräften nicht mehr Stand halten konnte, stürzte sie schließlich ein. Auf der Wikipedia-Seite der "Tacoma-Narrows-Brücke" findet man übrigens ein Video, das den Einsturz der Brücke eindrucksvoll zeigt. Seit dieser Zeit wird beim Bau von Brücken und anderen Bauwerken ein besonderes Augenmerk auf die Belastungen durch Windströmungen gelegt.



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