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24. März 2017 | Dipl.-Met. Helge Tuschy

Das Tiefdruckgebiet und sein stürmischer Südwestquadrant

Das Tiefdruckgebiet und sein stürmischer Südwestquadrant

Datum 24.03.2017

Tiefdruckgebiete gehen nicht nur mit Wolken und Niederschlägen einher, sondern können auch viel Wind im Gepäck haben. Bei rasanten Tiefdruckentwicklungen kann der Wind südwestlich des Tiefdruckkerns besonders hohe Windgeschwindigkeiten erreichen und große Schäden anrichten.

Intensive Tiefdruckgebiete sind während der Herbst- und Winterzeit für die außertropischen Regionen keine Seltenheit. Wiederholt liefern sich die polaren Luftmassen aus dem Norden mit den subtropisch warmen Luftmassen aus dem Süden einen Kampf um die Vormachtstellung. Dieser Kampf findet entlang der Frontalzone statt (siehe DWD-Lexikon). Natürlich macht eine kräftige Sturmtiefentwicklung nicht nur das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Luftmassen aus, denn wie so oft in der Meteorologie müssen viele Zahnräder ineinandergreifen, bevor sich in diesem Fall ein gewaltiger Sturm entwickeln kann. Wenn dies jedoch passiert, treten in unterschiedlichen Bereichen eines solchen Sturm- oder Orkantiefs sehr hohe Windgeschwindigkeiten auf. Im Bereich zwischen Warm- und Kaltfront sind zunächst meist die Berglagen als erste vom Sturm betroffen, bevor sich die hohen Windgeschwindigkeiten entlang der Kaltfront auch bis in tiefe Lagen durchsetzen können. Doch im heutigen Thema des Tages soll auf eine weitere Region eingegangen werden, der auf der Nordhalbkugel im südwestlichen Bereich eines Tiefdruckzentrums zu finden ist.


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Zum besseren Verständnis der folgenden Erklärung sind dem Thema des Tages zwei modifizierte Wasserdampfbilder beigefügt. Diese Bilder zeigen das Orkantief NIKLAS am Abend des 5. Februar 2017 über den Weiten des Nordatlantiks. Zu diesem Zeitpunkt wies der Orkan einen Kerndruck von unter 940 hPa auf. Zum Vergleich - der mittlere Luftdruck auf Meeresniveau liegt bei 1013 hPa. NIKLAS war ein wahrlich kräftiges Orkantief! Die Farbskala beider Wasserdampfbilder ist dieselbe und geht von hohen Temperaturen (gelb bis rot) zu tiefen Werten (weiß bis grün). Der Unterschied beider Bilder ist stark vereinfacht gesagt der, dass der Satellit METEOSAT im linken Bild tiefer in die Troposphäre schauen kann, während rechts nur die Bereiche der mittleren und oberen Troposphäre betrachtet werden. Beim direkten Vergleich beider Wasserdampfkanäle kann so zum Beispiel verfolgt werden, wie sich eine trockene Luftmasse von höheren Bereichen der Troposphäre in tiefere voran arbeitet. Das wiederum stellt für die Intensitätsvorhersagen von Sturmtiefs eine nützliche Information dar. Es wurde bewusst diese Uhrzeit gewählt, da durch die tiefstehende Sonne und die hervorgerufenen Schatteneffekte ein Art 3D-Effekt erzielt wird, der die im Folgenden beschriebenen Strömungen besser hervorhebt.

Werden nun Luftmassen betrachtet, die um solch ein mächtiges Tiefdruckgebiet geführt werden, sind mehrere sogenannte "Förderbänder" (engl. conveyor belts) erkennbar. Rot eingerahmt ist das warme Förderband, in dem feuchte und milde Luftmassen nordwärts geführt werden, dabei aufsteigen und einen immer mächtigeren Wolkenschirm aus Cirren (hohen Eiswolken) bilden. Im Satellit ist dieser durch eine große Fläche mit grüner Farbe zu erkennen. Nördlich vom Tiefdruckgebiet wickelt sich hingegen das kalte Förderband (blaue Pfeile) ums Zentrum, das unter dem warmen Förderband entspringt. Das alles stellt eine sehr starke Vereinfachung dar, da sich z.B. ein Förderband in mehrere Äste aufteilen kann. Zuletzt sei noch erwähnt, dass sehr trockene Luft aus hohen Schichten (obere Troposphäre bis untere Stratosphäre, 300 hPa) in das Tiefdruckzentrum geführt wird, dargestellt durch die gelben Pfeile. Dieser Zustrom trockenerer Luft findet umso intensiver statt, je kräftiger die Tiefdruckentwicklung ist.

Der Fokus richtet sich nun auf den Südwestquadranten des Tiefdruckzentrums, der im rechten Bild durch einen roten Kasten hervorgehoben wurde. Hier bildet sich bei sehr kräftigen Tiefdruckgebieten ein kompaktes Windmaximum aus, wo enorme Windgeschwindigkeiten auftreten können. Zum einen herrscht hier der größte Luftdruckgradient, wobei die Natur bestrebt ist, diesen mit entsprechend starken Winden auszugleichen. Zum anderen bewegt sich ein Tief in der Westwindzone meist von West nach Ost. Von daher addiert sich in eben diesem Quadranten auch die Zuggeschwindigkeit zur bereits erwähnten Windgeschwindigkeit. All diese Faktoren und noch einige mehr sorgen für dieses ausgeprägte Windmaximum, das in der Fachliteratur "cold conveyor jet, CCJ" genannt wird. Wenn Sie nun genau hinschauen erkennen Sie im roten Kästchen, dass die Wolken verschwommen oder faserig aussehen. Das ist der Bereich, wo die vorhin beschriebene trockene Luft absinkt, verdunstet und, dadurch abkühlt. Da kalte Luft schneller zum Boden sinkt, kommt sie mit noch höherer Geschwindigkeit am Boden an. Dieses Phänomen stellt den "sting jet" dar, der noch größere Windspitzen als der CCJ hervorruft und im Verlauf des Ereignisses in diesen übergeht. Ein sehr komplexer Vorgang, bei dem noch viele Fragen offen sind und der ebenfalls nur stark vereinfacht hier erläutert wurde.

Als ein Beispiel für solch einen ausgeprägten CCJ kann Orkantief EGON Mitte Januar 2017 herangezogen werden. Hier sorgte dieser sich von West nach Ost über die Mitte Deutschlands ziehende und allmählich abschwächende CCJ für verbreitet schwere Sturmböen, teils gar für Orkanböen (siehe Thema des Tages im Archiv vom 14.01.2017). Die gute Nachricht aber zum Schluss: Während der nächsten Tage kann anstatt stürmischem Westwindwetter ruhiges und mildes Frühlingswetter erwartet werden.



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