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12. Juni 2016 | MSc.-Met. Sebastian Schappert

Forensische Meteorologie Teil 3 - "Wetterdetektive" des Deutschen Wetterdienstes

Forensische Meteorologie Teil 3 - "Wetterdetektive" des Deutschen Wetterdienstes

Datum 12.06.2016

Von VersicherungsfĂ€llen bis hin zu Mordanklagen - hauptsĂ€chlich bei gerichtlichen Auseinandersetzungen beschreibt und analysiert die forensische Meteorologie wichtige Wetterfaktoren, die unter UmstĂ€nden zur KlĂ€rung eines Rechtsstreits oder zur AufklĂ€rung eines Sachverhaltes fĂŒhren können.

In den ersten beiden Teilen der Reihe "forensische Meteorologie" wurden bereits einige anschauliche Beispiele aufgefĂŒhrt, bei denen das Wettergeschehen maßgeblich zum Ermittlungserfolg beitrug. Auch der Deutsche Wetterdienst beschĂ€ftigt an unterschiedlichen Standorten in Deutschland eigene, speziell ausgebildete Gutachter, wie zum Beispiel Uta Frisch vom KlimabĂŒro in MĂŒnchen, die auf ĂŒber 30 Jahre Erfahrung als meteorologische SachverstĂ€ndige zurĂŒckblicken kann und freundlicherweise etwas Zeit fĂŒr ein GesprĂ€ch fand.

Nicht nur in den USA werden "Wetterdetektive" zertifiziert, in Deutschland existieren ebenfalls Zertifikate fĂŒr meteorologische SachverstĂ€ndige, die man nach mehreren Jahren Berufserfahrung erwerben kann. Die amtlichen Gutachten an sich folgen dabei festgelegten Richtlinien und werden nicht nur vom Deutschen Wetterdienst angeboten, auch private Wettergutachter liefern solche Dienstleistungen.


Zugriff auf die wichtigsten Messdaten bietet der DWD auch ĂŒber seine Plattform WESTE an
Zugriff auf die wichtigsten Messdaten bietet der DWD auch ĂŒber seine Plattform WESTE an


Da die amtlichen Gutachten meist jedoch sehr aufwendig und entsprechend teuer sind, lohnt sich ein solches nur in AusnahmefÀllen. Zudem ist nicht immer gleich ein professioneller Gutachter von Nöten. Die Internetplattform "WESTE-XL" (Wetterdaten und -statistiken Express - XL) bietet den kostenfreien Online-Zugriff auf Messwerte, die am hÀufigsten nachgefragt werden. Dabei sind auch klimatologische Auswertungen umfangreicher DatensÀtze möglich. Die entsprechenden Informationen finden Sie unter http://www.dwd.de/weste.

Allerdings muss hierbei beachtet werden, dass nicht jedes Wetterereignis an den Messstationen nachgewiesen werden kann. Gewitter treten beispielsweise nur eng begrenzt auf. So kommt es vor, dass Begleiterscheinungen wie Fallböen oder Starkregen zwischen zwei Stationen fĂŒr SchĂ€den sorgen, an den Stationen selbst jedoch nicht registriert werden. In einem solchen Fall kann dann die Anfrage eines Gerichts erfolgen: Sind Gewitterfallböen zum Zeitpunkt eines Unfalls aufgetreten und wenn ja, in welcher StĂ€rke?

Auch die EinschĂ€tzung von SichtverhĂ€ltnissen stellt unter UmstĂ€nden eine schwierige Aufgabe dar. Bei einem durch einen Geisterfahrer verursachten Verkehrsunfall kamen die Insassen der beiden verwickelten Fahrzeuge ums Leben. "Unser Sherlock", Uta Frisch, bekam dann den Auftrag, die SichtverhĂ€ltnisse zum Unfallzeitpunkt zu ermitteln. Konnte der Autofahrer den Geisterfahrer auf sich zukommen sehen? Wie groß war dabei die Sichtweite? Eine solche Aussage zu treffen ist dann nur begrenzt möglich, da das Messstationsnetz recht weitmaschig ist und man somit nicht ĂŒber flĂ€chendeckende Beobachtungsdaten verfĂŒgt. Als zusĂ€tzliches Hilfsmittel bietet sich da der Blick aus dem All an. Allerdings schaut man mit dem Satelliten nur von oben auf die Nebeldecke. Eine AbschĂ€tzung der Sichtweite auf 50 m genau ist dann entsprechend nicht möglich.

Beim Fund einer eingeschneiten Leiche in winterlichem GelĂ€nde lĂ€sst sich der Todeszeitpunkt fĂŒr Gerichtsmediziner nur schwer bestimmen, da die Leiche von Insektenbefall verschont bleibt. Jedoch kann man sich auch hier die Witterung zunutze machen. Vergleicht man die Schneedecke unter der Leiche mit der Schneedecke, die sich auf der Leiche gebildet hat, kann man mithilfe einer Niederschlagsanalyse den Tod zeitlich nĂ€her eingrenzen. Entsprechend muss der Frage nachgegangen werden, in welchem Zeitraum welche Mengen an Schnee gefallen sind.

Wetter beeinflusst aber auch den Kleidungsstil eines Menschen. Zum Beispiel werden im Sommer gerne kurze und luftige KleidungsstĂŒcke getragen, im Winter mag man es dagegen eher lang und dick. Bei der Frage, wann sie eine Person das letzte Mal gesehen haben, erinnern sich viele Zeugen an die Kleidung der Person. War es ein besonders warmer Tag im FrĂŒhling, kann das Datum womöglich nĂ€her eingegrenzt werden.

In einem weiteren spannenden Ermittlungsverfahren kam es zu einer Drogenrazzia. Dabei beobachtete ein Polizist, wie sich einer der TĂ€ter ĂŒber den Balkon des durchsuchten GebĂ€udes scheinbar einer TĂŒte Rauschgift entledigte. Im Anschluss an die Razzia musste die Aussage des Polizisten mit den vorherrschenden LichtverhĂ€ltnissen abgeglichen werden, da die Wahrnehmung beispielsweise durch dichte Wolken oder Regen eingeschrĂ€nkt hĂ€tte sein können. Falls das SachverstĂ€ndigengutachten dann aufgrund mangelnder Daten zu ungenau ist, kommt es im Ă€ußersten Fall zu einem Ortstermin, bei dem die lokalen LichtverhĂ€ltnisse bei Ă€hnlichen Wetterbedingungen unter die Lupe genommen werden.



© Deutscher Wetterdienst

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