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22. Mai 2016 | MSc.-Met. Sebastian Schappert

Wolken wie Wellen

Wolken wie Wellen

Datum 22.05.2016

Per E-Mail erreichte uns die Anfrage nach der Bezeichnung einer Wolkenformation, die nahezu unwirklich am Himmel steht und großen Wasserwellen ähnelt. Die Rede ist von sogenannten Kelvin-Helmholtz-Wellen und diese sollen im heutigen Thema des Tages einmal genauer betrachtet werden.

Wie bereits im Thema des Tages vom 05.05.2016 "Wolken und ihre Bezeichnungen" behandelt wurde, gibt es viele verschiedene Wolkentypen, bei deren Klassifikation das Erscheinungsbild, die Form, Größe und Gestalt der Wolke und die hervorgerufenen optischen Effekte wie Schatten oder Lichtdurchlässigkeit mit einbezogen werden. Die einen kommen häufiger, die anderen etwas seltener vor und einige Wolkentypen sehen spektakulär aus und lösen beim Betrachter regelrechtes Erstaunen aus. Eine bestimmte Wolkenformation ähnelt dabei meist mehreren, nur langsam und in eine bestimmte Richtung brechenden Wasserwellen und wird durch die sogenannte Kelvin-Helmholtz-Instabilität ausgelöst


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Diese Wellen sorgten zum Beispiel am Morgen des 11.04.2016 in Digne-les-Bains in der Provence in Frankreich für Aufsehen. Ein Foto finden Sie mit freundlicher Genehmigung eines aufmerksamen Fotografen als Grafik 1 beigefügt. Grafik 2 zeigt ein weiteres eindrucksvolles Beispiel dieser faszinierenden Wellen auf einer Wolkendecke, die von der DWD-Wetterwarte aus unterhalb des 1215 m hohen Fichtelbergs im Erzgebirge in Sachsen an einem Februarmorgen (2014) beobachtet werden konnten.

Der Mechanismus trägt den Namen zweier berühmter Wissenschaftler, die die mathematischen Grundlagen zur Beschreibung dieses Phänomens legten. William Thomson, erster Baron Kelvin, oder besser bekannt als Lord Kelvin forschte als irischer Physiker im 19. Jahrhundert sehr erfolgreich auf den Gebieten der Elektrizitätslehre, der Thermodynamik sowie der Strömungslehre. Hermann von Helmholtz war ein deutscher Physiologe und Physiker, der etwa zur selben Zeit wie Lord Kelvin lebte. Helmholtz ging als einer der vielseitigsten Naturwissenschaftler seiner Zeit in die Geschichte ein und erforschte unter anderem in der sogenannten Hydrodynamik das Verhalten und die Bewegung von Wirbeln in idealen, d. h. reibungsfreien Flüssigkeiten.

Die typische Wellenstruktur entsteht häufig an einer sogenannten Inversionsschicht, die zwei übereinander liegende und charakteristisch unterschiedliche Luftmassen voneinander wie eine unsichtbare Grenze trennt. Normalerweise nimmt die Temperatur in der unteren Atmosphäre (Troposphäre) mit zunehmender Höhe ab. Bei einer Inversion kommt es jedoch in einer mehr oder weniger dicken Luftschicht mit zunehmender Höhe zu einem Temperaturanstieg. In der Atmosphäre liegt also eine warme und trockene Schicht über einer kälteren und feuchteren Luft. Weisen beide Luftmassen nun zudem unterschiedliche Geschwindigkeiten oder auch verschiedene Bewegungsrichtungen auf, können sich im Grenzbereich durch geringste Störungen Kelvin-Helmholtz-Wellen bilden. Dabei "reißt" die obere Luftschicht, die in abgebildeten Skizze in Grafik 4 eine höhere Geschwindigkeit und eine geringe Luftfeuchte aufweist, Teile der feuchteren Luftmasse der sich langsamer bewegenden, unteren Schicht nach oben, wodurch die wellenartigen, rollenden Strukturen gebildet werden.

Allerdings sind solche Wellen nur selten für das menschliche Auge sichtbar. Bei nur geringer Luftfeuchtigkeit treten diese Verwirbelungen beispielsweise für Piloten von Flugzeugen meist überraschend auf. Durch die fehlende Feuchte bringen diese Verwirbelungen keine sichtbaren Wettererscheinungen mit sich und bleiben so dem Betrachter verborgen. Die dabei auftretenden Auf- und Abwinde gleichen jedoch einer wilden Achterbahnfahrt und können Flugzeug und Passagiere gut durchschütteln.

Seit ihrer Entdeckung im 19. Jahrhundert wurden Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten übrigens nahezu im gesamten Universum beobachtet. Sie treten nicht nur als gigantische Wellen am Himmel oder als vom Wind angeregte Wasserwellen auf, auch in den Atmosphären von Jupiter (Stichwort "großes rotes Auge") und Saturn sind sie präsent (siehe Grafik 3, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Saturn_Kelvin_Helmholtz.jpg). Selbst in unserem Erdmagnetfeld und der Sonnenkorona, also der Atmosphäre der Sonne, finden sich die faszinierenden Instabilitäten wieder.



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