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07. April 2016 | Dipl.-Met. Thomas Ruppert

Regen und Schnee in Kanada

Regen und Schnee in Kanada

Datum 07.04.2016

Derzeit herrscht auch in Nordamerika unbeständiges Wetter. Während im größten Teil Kanadas noch tiefster Winter herrscht, gab es bei milderen Temperaturen an der Pazifikküste ergiebige Regenfälle.

Seit Tagen und Wochen kommt über dem nordamerikanischen Kontinent immer noch Polarluft aus der Arktis südwärts voran und formt sog. Höhentröge, die im größten Teil Kanadas sowie partiell in den amerikanischen Nordstaaten den Winter nicht enden lassen wollen. Unter einem Höhentrog versteht man eine zum Äquator gerichtete, im meteorologischen Fachjargon als "zyklonal" bezeichnete Ausformung der Höhenströmung, die generell am Verlauf der Frontalzone in den mittleren Breiten orientiert ist.



In der dort vorhandenen, hoch reichenden Kaltluft nimmt der Luftdruck in der Vertikalen schneller ab als in warmer Luft, so dass ein Höhentrog immer mit tiefem Luftdruck bzw. niedrigem Geopotential in der mittleren und höheren Atmosphäre verbunden ist. Die Wechselwirkung mit den tieferen Atmosphärenschichten besteht nun darin, dass bei Wanderung des Troges Luft nach oben angesaugt bzw. von unten "gehoben" wird. Folglich fällt aus Kontinuitätsgründen der Luftdruck am Boden und es bildet sich auch dort ein Tiefdruckgebiet. Die atmosphärische Höhenströmung "steuert" also die Bildung und Verlagerung der Hoch- und Tiefdruckgebiete im Bodenniveau.

Hier geht es zunächst um zwei Tröge, die am gestrigen Mittwoch vor der amerikanischen Ostküste bzw. über dem mittleren Westen lagen und als "kurzwellige" Anteile eines gigantischen, das gesamte Nordamerika umfassenden "langwelligen" Troges betrachtet werden können. Sie driften langsam ostwärts und werden dabei von der deutlich schnelleren Strömung in der mittleren und höheren Atmosphäre "durchflossen", die dem "Relief" der Geopotentialverteilung an der Frontalzone folgt. Dritter Akteur ist ein mit dem "Aleutentief", einem nordamerikanischen Pendant unseres europäischen Islandtiefs, verbundener Tiefdruckkomplex an der Südküste Alaskas und der Westküste Kanadas, der jedoch inzwischen vom nachfolgenden Zwischenhoch aufgefüllt wurde.



Die Niederschlagaktivität der beiden kurzwelligen Tröge bzw. der mit ihnen verbundenen Tiefdruckgebiete im Bodenniveau war insgesamt wenig eindrucksvoll, vor allem im Süden Kanadas und in den nördlichen Staaten der USA, im Grenzbereich zu wärmeren Luftmassen, fiel gebietsweise Schnee oder Regen in ergiebigen, aber für die Gegend unspektakulären Mengen. Andererseits konserviert die im größten Teil Kanadas wetterwirksame Polarluft dort den Winter, denn der größte Teil des Landes liegt bei mäßigem bis strengem Frost noch unter einer dicken Schneedecke.

Der Aleutentief-Komlex dagegen bezog relativ warme und feuchte Pazifikluft in seine Zirkulation ein, die an seiner Warmfront beim Aufgleiten über eine trockenere und kühlere Luftmasse durch Abkühlung, Kondensation, Wolken- und Niederschlagsbildung ein mächtiges Regengebiet hervor brachte. Diese Prozesse wurden außerdem durch Staueffekte an den kanadischen Coast Mountains orografisch verstärkt. Beispielsweise fielen innerhalb von vierundzwanzig Stunden bis Mittwoch, 06.04.2016, 15:00 UTC am Leuchtturm von Estevan Point (Vancouver Island, British Columbia; 49°23'N, 126°33'W, 5 m Seehöhe) 189,8 L/m² (= mm) Regen, an der Station Cathedral Point (British Columbia; 52°12'N, 127°36'W, 305 m Höhe) waren es 132,2 mm und auf Solander Island (British Columbia; 50°11'N, 127°56'W, 91 m Höhe) 112,8 mm.

Damit wurden im Falle von Estevan Point knapp 74 % der mittleren monatlichen Niederschlagsmenge für den April erreicht. Die mittlere jährliche Niederschlagssumme beträgt dort 3176,9 mm, davon fallen 3147,1 mm oder 99 % als Regen, was für das milde Klima der kanadischen Pazifikküste spricht. Bezugszeitraum für die durchschnittliche Monats- und Jahressumme des Niederschlags ist die Klimanormalperiode 1971 - 2000.

Unten sehen Sie eine Höhenwetterkarte von Kanada, eine sog. Absolute Topografie, vom 06.04.2016, 06:00 Uhr UTC. Hier wird nicht etwa das in einer bestimmten geometrischen Höhe anzutreffende, zweidimensionale Luftdruckfeld gezeichnet, sondern es wird die "geopotentielle Höhe" einer "Hauptdruckfläche" mittels sog. Isohypsen dargestellt. Dabei repräsentiert das 500-hPa-Niveau "die Mitte" und die vertikale Schwerpunktfläche der Atmosphäre, dort sind das Produkt aus Masse und Strömungsgeschwindigkeit und damit der Impuls am größten.


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Höhenwetterkarten zählen zu den wichtigsten Arbeitsunterlagen des im Vorhersagedienst tätigen Meteorologen. Hoch- und Tiefdruckgebiete bzw. Geopotentialmaxima und -minima erscheinen in ihnen so als Berge und Täler. Die Gebiete mit geschlossenen Isohypsen innerhalb der Tröge bezeichnet man als "Höhentiefs". Neben dem Aleutentief links oben findet sich hier noch ein markantes Tief über dem Nordosten der Halbinsel Labrador sowie in schwaches Tief über der Hudson Bay. Außerdem sind die zum o.g. Zeitpunkt im Messnetz des kanadischen Wetterdienstes registrierten Schneehöhen in Zentimetern eingetragen.



© Deutscher Wetterdienst

Bild: DWD