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04. März 2016 | Dipl.-Met. Simon Trippler

Dzud - Im Bann der Wüste

Dzud - Im Bann der Wüste

Datum 04.03.2016

"Dzud" - Was ist das denn? Was sich zunächst nach einem neuen Karl-May-Film anhört, ist in einigen Regionen der Erde leider überhaupt kein (Wetter-) Spaß. Lesen Sie hier, was es damit auf sich hat.



Was nach dem Titel eines neuen Karl-May-Films oder nach einem Abfallprodukt beim Kaffeemachen ("Kaffeesatz"-Leserei ist ja auch in der Meteorologie wohlbekannt :-)) klingt, entpuppt sich beim näheren Hinsehen als ernst zu nehmendes Wetterphänomen. Beim sogenannten "Dzud" (oder auch "Dsud" oder "Zud") handelt es sich um einen eisig-kalten und oft auch schneereichen Extremwinter in der Mongolei, der meist auf einen auffällig warmen und trockenen Sommer folgt. Mensch und Tier sind dabei extremen Wetterbedingungen ausgeliefert, was insbesondere bei den Tieren leider nicht selten tödlich endet. Damit wird auch die mongolische Bedeutung des Wortes "Dzud" klar: Übersetzt heißt es soviel wie "fehlende Weidemöglichkeit".

Früher kam der Dzud geschätzt etwa alle 10 bis 20 Jahre vor, mittlerweile ist die Frequenz aber auf alle 5 oder 6 Jahre gestiegen. Den letzten Dzud gab es im Winter 2009/2010. Ein Problem ist dieses Wetterphänomen vor allem deshalb, weil fast die Hälfte der etwa 2,9 Millionen Mongolen von der Viehwirtschaft leben. Rund ein Drittel der Einwohner sind Nomaden, d.h. sie ziehen mit ihren Tieren durch das Land und müssen dabei Wind und Wetter der bis zu 40 % der Landesfläche einnehmenden Halbwüste widerstehen. Die restliche Landmasse des Landes ist durch Baum- (rund 35 %) und Sandsteppe (ca. 20 %) sowie durch Wald und Sandwüste (rund 5 %) geprägt, wobei ca. ein Drittel des Landes aus Hochgebirge besteht.


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Die Mongolen teilen den Dzud in drei Arten: Den "weißen", den "schwarzen" und den "eisigen" Dzud. Beim weißen Dzud gibt es einen schneereichen Winter, bei dem es Schafe und Ziegen nicht mehr schaffen, durch den Schnee an Futter zu kommen, während Pferde und Yaks diesen oft noch wegscharren können. Beim schwarzen Dzud fällt nach einem trockenen Sommer im Winter kaum Schnee. Den Tieren wird durch die dann trockenen Böden und das trockene Futter die Flüssigkeitsaufnahme erschwert und so verdursten sie häufig in der Kälte. Beim eisigen Dzud wird die Oberfläche durch Eis versiegelt (beispielsweise nach einem Tauwetter und wieder zurückkehrendem Frost). Das Vieh kann dann innerhalb von wenigen Tagen verhungern, weil es kein Futter mehr findet.

Der Dzud ist schon seit Jahrhunderten in der Mongolei bekannt. Besonders schlimm schlug der Dzud in den drei aufeinanderfolgenden Wintern von 1999/2000 bis 2002/2003 zu. Von bis zu 11 Millionen verendeten Tieren ist dabei in einigen Berichten die Rede, viele tausend Nomadenfamilien wurden ihrer Existenzgrundlage beraubt. Im ebenfalls stark vom Dzud betroffenen Winter 1943/1944 sollen allein 7 Millionen gestorben sein.

Im Winter 2015/2016 dürften nach Angaben der Regierung in der Hauptstadt Ulan Bator bisher 200.000 Stück Vieh der Kälte zum Opfer gefallen sein. Außerdem sollen aktuell 211 Bezirke im Griff des Dzud sein, der insgesamt 331 Bezirke des Landes sind gefährdet und könnten bald dazukommen.

Der aktuelle Dzud wartet mit abendlichen Durchschnittstemperaturen bis zu -39 Grad auf. Im Januar lagen die Monatsmitteltemperauren fast durchweg um 2-4 Grad unter dem Durchschnitt, wobei in den Nächten Tiefstwerte bis -55 °C auftraten! Zudem ist beinahe 90 % des Landes von einer bis zu 30 cm hohen Schneedecke bedeckt. Sollte der Dzud weiterhin so heftig zuschlagen, so wird es in den nächsten Tagen und Wochen vielen Tieren an den Kragen gehen, womit auch die Existenzgrundlage der betroffenen Familien bedroht ist.

Längst wird auch diskutiert, ob der Klimawandel das Auftreten des Dzuds verändert. So ist die Durchschnittstemperatur in der Mongolei zwischen 1940 und 2008 um ca. 2,1 Grad gestiegen, womit die weltweite Änderung von 0,74 Grad zwischen 1906 und 2007 noch einmal deutlich übertroffen wurde. Zusammen mit der Übernutzung der Landflächen durch das Vieh der Nomaden dehnt sich die Wüste immer weiter aus. Dadurch besteht aber auch die Gefahr der Zunahme von Dzuds. Einige Klimaforscher gehen davon aus, dass Dzuds in den nächsten Jahren sogar alle 2 Jahre auftreten könnten. Eine Erholung der Böden wäre damit kaum noch möglich, womit ein Teufelskreis in Gang gebracht wird, der wohl nur schwer zu durchbrechen sein dürfte.



© Deutscher Wetterdienst

Bild: Reliefweb