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04. Januar 2016 | M.Sc.-Met. Andreas Würtz

Wintereinbruch in Südosteuropa - Die Nordtürkei versinkt im Schnee

Wintereinbruch in Südosteuropa - Die Nordtürkei versinkt im Schnee

Datum 04.01.2016

Wenn auch bei uns der Winter noch nicht so recht Einzug halten will, brachte ein Wintereinbruch in Südosteuropa insbesondere der Nordtürkei große Neuschneemengen. Geschuldet ist dies dem "Lake Effect".

Wenn auch in den letzten Tagen insbesondere in den mittel- und süddeutschen Mittelgebirgen ein paar Zentimeter Schnee fielen, warten viele Wintersportfreunde und Skiliftbetreiber weiterhin auf den großen Wintereinbruch. Ganz anders sieht es hingegen in Südosteuropa aus. Selbst in der östlichen Mittelmeerregion klopfte der Winter an. Dabei versanken insbesondere Teile der Nordtürkei in riesigen Schneemassen. Die Ursache für diese großen Schneemengen ist ein meteorologisches Phänomen namens "Lake-Effect-Snow" (LES).



Dieses Phänomen beschreibt die Auswirkungen von warmen Wasseroberflächen auf das regionale Wettergeschehen in den Wintermonaten. Dabei spielen nicht nur die Temperaturunterschiede von Wasseroberfläche und Luft eine Rolle, sondern auch weitere meteorologische Parameter.

Grundsätzlich kann dieser Effekt weltweit an jeder Wasseroberfläche beobachtet werden, die eine entsprechende Größe aufweist und von einer kalten Luftmasse überstrichen wird. Der LES führt zu organisierten "Niederschlagsbändern", die aus kräftigen Schneeschauern, teils auch Wintergewittern zusammengesetzt sind. Mal handelt es sich hierbei um ein einziges und kräftiges Niederschlagsband, mal um eine Vielzahl von schwächeren Bändern.

Legen wir nun den Fokus auf die Türkei. Zwischen einem kräftigen Hochdruckgebiet mit Zentrum über dem Nordwesten Russlands und einem Tief über dem Nahen Osten gelangte in den letzten Tagen sehr kalte Luft aus den polaren Breiten bis in die östliche Mittelmeerregion. Diese Luftmasse weist neben den geringen Temperaturen auch eine entsprechend niedrigere Feuchte auf, da kalte Luft weniger Wasserdampf aufnehmen kann als wärmere. Die trocken-kalte Luft erreicht nun das Schwarze Meer und überströmt dieses von Nord nach Süd. Dabei kommt der LES allmählich in Gang, denn zwischen der warmen Wasseroberfläche (aktuell zwischen 5 und 11 Grad) und der eisigen sibirischen Kaltluft entwickeln sich markante (vertikale) Temperaturgegensätze. Diese sorgen dafür, dass die Luftmasse labilisiert (kalte Luft, die über warme Luft strömt, sorgt dafür, dass Luftpakete aufsteigen können) wird. Die feucht-warme Meeresluft steigt also auf, wodurch sich kräftige und langlebige Niederschlagsbänder bilden können.

Die Voraussetzung für diesen Prozess ist natürlich eine nicht zugefrorene Wasseroberfläche, was den (latenten) Wärmetransfer von Wasser in die Luft unterbinden würde. Je weiter die kalte Luft nun über das warme Wasser strömt, umso labiler wird diese Luftmasse und umso mächtiger (in der Vertikalen) wird diese labile Schicht. Schlussendlich kondensiert der Wasserdampf der aufsteigenden feuchten Luftmassen in den kühleren höheren Atmosphärenschichten und es beginnt zu schneien.

Ein weiterer wichtiger Aspekt stellt die Orografie dar, die nochmals einen verstärkenden Einfluss auf die Niederschläge haben kann. Zum einen ist die Reibung über der Wasseroberfläche deutlich geringer als über Land, sodass sich entlang der Küste Konvergenzen (Bereiche, wo Winde aus unterschiedlichen Richtungen zusammenströmen und aufsteigen) ausbilden können. Befinden sich im angrenzenden Küstenbereich Gebirge, kann es zum anderen zu Staueffekten kommen.

Dies führte in den letzten Tagen entlang der türkischen Schwarzmeerküste für erhebliche Neuschneemengen. Am vergangenen Samstagmorgen (02.01.2016) wurden an einigen Stationen an der Küste auf nahezu Meeresniveau Schneehöhen von oftmals mehr als 50 cm gemessen. Spitzenreiter war zu diesem Zeitpunkt Bartin mit 93 cm. Zum Jahreswechsel fielen dort 69 cm innerhalb von 24 Stunden. Am Flughafen Istanbul-Sabiha Gökcen betrug die Schneedecke am 02.01.2016, 06 UTC, 24 cm. Am heutigen Montag (04.01.2016) liegen an der Schwarzmeerküste immer noch verbreitet 20 bis 60 cm Schnee. Allerdings wird sich die Schneesituation in den nächsten Tagen mit steigenden Temperaturen wieder entspannen.



© Deutscher Wetterdienst