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24. November 2015 | Dipl.-Met. Lars Kirchhübel

Rossby-Wellen - Wie beeinflussen sie unser Wetter?

Rossby-Wellen - Wie beeinflussen sie unser Wetter?

Datum 24.11.2015

Rossby-Wellen und der Einfluss auf das Wetter auf der Nordhalbkugel in Abhängigkeit von der Wellenlänge, der Erdrotation und der mittleren zonalen Strömung.

Der wesentliche Antrieb aller wetterbedingten Vorgänge in der Atmosphäre liegt in der Sonneneinstrahlung. Da diese jedoch auf der Erde sehr unterschiedlich stark ausgeprägt ist, kommt es zu größeren Temperaturgegensätzen zwischen Äquator und den Polregionen. Während am Äquator die Sonne fast das ganze Jahr über nahezu senkrecht einstrahlt, bekommen die Polregionen bei flachem Einfallswinkel nur wenig wärmende Sonnenenergie ab. Im Winter bleibt es in diesen nördlichen bzw. südlichen Regionen der Erde teilweise sogar komplett dunkel, d.h. die Sonne geht dort gar nicht mehr auf.

Da die Atmosphäre jedoch einen Temperaturausgleich anstrebt, strömt die warme Luft aus den äquatorialen Gebieten in der oberen Troposphäre nach Norden bzw. Süden. In den mittleren und nördlichen/südlichen Breiten sind die Tiefdruckgebiete für den Wärmeaustausch verantwortlich. Diese entstehen bevorzugt im Bereich der sogenannten Polarfront, die z.B. auf der Nordhalbkugel die kalten polaren Luftmassen im Norden von den warmen subtropischen Luftmassen im Süden trennt.


Entstehungsprozess von Rossby-Wellen
Entstehungsprozess von Rossby-Wellen


Die so entstehende oft wellenförmig deformierte Luftmassengrenze wird nach dem Wissenschaftler C.G. Rossby als Rossby-Wellen bezeichnet. Im Gesamtbild der Luftmassenzirkulation der Erdatmosphäre sind diese Rossby-Wellen also als mäandrierender (wellender) Verlauf des Polarfrontjetstreams (schmales, bandartiges Starkwindfeld in der oberen Troposphäre bzw. unteren Stratosphäre) entlang der Luftmassengrenze zwischen der kalten Polarluft und der warmen Subtropenluft auf der Nord- und auch auf der Südhalbkugel der Erde beobachtbar.

Die sogenannten Rossby-Wellen (mit einer durchschnittlichen Wellenzahl von 5 bis 7) steuern dabei die Hoch- und Tiefdrucksysteme in den mittleren Breiten und sind somit für den Austausch von Wärme zwischen hohen und niedrigen Breiten verantwortlich. Dabei verlagern sich die Wellen in den mittleren Breiten immer langsamer als die durchschnittliche westliche Grundströmung. Die Verlagerungsgeschwindigkeit ist dabei von der Wellenlänge und der Veränderung der Corioliskraft (Rechtsablenkung der Luftströmung auf der Nordhalbkugel durch die Erdrotation) mit dem Breitengrad abhängig. Unter bestimmten Voraussetzungen können die Rossby-Wellen auch stationär werden (typisch für blockierende Wetterlagen) oder sich sogar gegen die Luftströmung verlagern (retrograd). In unseren Breiten (~45°N) muss für stationäre oder retrograde Wellen die Wellenanzahl kleiner als 5 sein.

In den letzten sehr milden Wochen herrschten über Europa weitestgehend ähnliche Luftdruckverhältnisse vor. Ein ausgeprägtes Azorenhoch, das sich weit nach Osten teilweise bis ins östliche Mittelmeer erstreckte sowie gleichzeitig eine großräumige und hochreichende Tiefdruckzone von Neufundland zeitweise bis nach Russland, sorgten fast durchgängig für eine westliche Strömung über West-, Nord- und Teilen Mitteleuropas. Dabei überquerten wiederholt kräftige Tiefausläufern Deutschland von Westen nach Osten, sodass vor allem im Norden und der Mitte ein unbeständiger und stürmischer Wettercharakter dominierte.

Diese Wetterverhältnisse lassen sich auch über die Rossby-Wellen erklären, die in diesem Zeitraum eine Wellenzahl von meistens 6 bis 8 aufwiesen. Da die Wellen über eine geringe Amplitude, also Ausdehnung in meridionaler Richtung (Nord-Süd, Süd-Nord) verfügten, verlagerten sie sich rasch ostwärts. Zwischen den Wellenbergen (Trögen, vgl. http://www.dwd.de/lexikon Stichwort "Trog") bildete sich häufig eine kräftige zonale (West-) Strömung aus, mit der zahlreiche Randtiefs ostwärts zogen. Für Europa bedeute dies von Mitte Oktober bis Mitte November teilweise sehr milde und vor allem im Norden und der Mitte auch feuchte Westwinde.

Erst am letzten Wochenende (21./22.11.2015) stellte sich die Wetterlage über Europa zumindest vorübergehend um. Allerdings korreliert die sich einstellende nördliche Strömung, die den Winter nach Deutschland brachte, nicht mit einer deutlichen Abnahme der Wellenzahl. Um die Nordhemnisphäre ziehen sich weiterhin 6 bzw. 7 Rossby-Wellen. Während jedoch die Wellenamplitude von Russland über den Pazifik hinweg bis nach Alaska weiter verringerte, dehnten sich über Amerika und Europa zwei Tröge (Wellen) weit nach Süden aus. Gleichzeitig konnte sich in höheren troposphärischen Schichten ein Rücken (Höhenhoch) sowie am Boden ein Hoch über dem Atlantik weit in Richtung Polarregion ausbreiten. Nachfolgend stellten sich über Europa und auch über Amerika meridionale Luftströmungen ein, die Trog-/Tiefrückseitig kalte Luft polaren Ursprungs südwärts transportierten.

Da sich die Anzahl der Rossby-Wellen über die gesamte Nordhemnisphäre hinweg jedoch nicht deutlich reduzierte und derzeit weiterhin meist eine rasche Ostverlagerung der Wellen vorliegt, ist nicht mit einer längerfristigen Einwinterung bis in mittlere oder tiefe Lagen zu rechnen. Stattdessen wird sich die Strömung wohl wieder zunehmend zonalisieren und eher etwas mildere Meeresluft nach Europa und somit auch nach Deutschland führen. Gleichermaßen sollten Tiefausläufer wiederholt Niederschläge bringen und auch der Wind häufiger stark bis stürmisch auffrischen. Der Winter wäre entsprechend lediglich in den Höhenlagen der Mittelgebirge oberhalb von 600 bis 900 Metern weiter anzutreffen.



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