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17. November 2015 | Dipl.-Met. Christoph Hartmann

Der Martinisommer

Der Martinisommer

Datum 17.11.2015

Die erste Novemberhälfte bescherte uns einen langen Martinisommer.

Gestern hatte die Leserbriefseite einer großen deutschen Tageszeitung speziell für die Meteorologen einen Tipp: Das milde Wetter derzeit gehört zum Witterungsregelfall Martinisommer.



In der Tat, bei etwa 80 Millionen Meteorologen in Deutschland (diesen korrekten Wert kann man aus der Sonntagsausgabe der gleichen Zeitung erschließen) gibt es sicher einige, die nicht wissen, was es damit auf sich hat. Dem Unwissen wollen wir nun abhelfen.

Dass es in der letzten Zeit für die Jahreszeit vorsichtig ausgedrückt zu mild war, haben fast alle mitbekommen.

Dieser Witterungsregelfall oder Singularität, also eine mehr oder weniger häufig auftretende Witterung, wird in der aktuellen Literatur für den Zeitraum 9.11. - 11.11. festgelegt und betrifft weite Teile Mitteleuropas. Im Süden Deutschlands ist er stärker ausgeprägt. Logischerweise kommt die warme Luft des Martinisommers aus dem Mittelmeerraum. Nach dem Meteorologischen Lexikon gehört dazu ein Hoch über Mittel- bzw. Osteuropa.



Was lief nun dieses Jahr ab: Die ersten Novembertage entsprachen tatsächlich dieser Wetterlage. Ab dem 6. allerdings lag der Hochschwerpunkt eher im Südwesten Europas. Und damit kam es dann ganz dicke: Am 7. und 8. war es an mehr als 30 der 500 Stationen über 20 Grad warm und am 7. wurde auch mit 23,8 Grad der wärmste 7. November in Deutschland seit Messbeginn registriert. Das war in Mundingen am Oberrhein. Einen Sommertag mit über 25 Grad hat es aber in diesem November nicht gegeben, der Rekord (25,9 Grad) vom 6.11.1997 in Rosenhein bleibt unangetastet. Aber es ist was viel interessanteres passiert als so ein einmaliger Föhnrekord. (Dass es diesmal nicht der Föhn, sondern einfach nur Warmluft war, davon hat sich der Autor persönlich im T-Shirt auf der nahezu windstillen Zugspitze überzeugt.) Die meteorologische Ausnahmesituation bestand darin, dass vom 8. Bis 10. November täglich an fast allen Stationen, also deutschlandweit, Tagesrekorde der Maximaltemperatur auftraten. Das höchste mittlere Maximum wurde mit 17,5 Grad am 7.11 erreicht, normal wären eigentlich ca. 8,6 Grad. Es war also verbreitet 9 Grad wärmer als in den letzten gut 50 Jahren am 7. November üblich.

Und was passierte am Lostag Sankt Martin, dem Namensgeber der Singularität? Es war der erste Novembertag, an dem die 20 Grad nirgendwo in Deutschland erreicht wurde und auch die mittleren Maxima lagen 3,5 Grad unter denen des 7.11.; aber auch 6 Grad wärmer als üblich sind noch ganz ordentlich. Nachdem am 14. mit "nur" 9 Grad mittlerem Maximum gerade mal 3 Grad "Wärmeüberschuss" gemessen wurde, ging es wieder bergauf und am 15. und 16. wurde die 20 Grad-Marke wieder geknackt. Auch der Temperaturabstand zu den Normalwerten stieg wieder auf etwa 7 Grad.

In der ersten Novemberhälfte hatten wir also eigentlich einen durchgehenden Martinisommer, dessen Pause ausgerechnet am Lostag begann.

Dank Sturmtief Heini, das uns im Laufe der Nacht und des morgigen Mittwochs überqueren wird, und der nachfolgenden Tiefs wird sich bis zum Wochen nicht all zuviel ändern.



© Deutscher Wetterdienst