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11. November 2015 | Dipl.-Met. Adrian Leyser

KATE und die Unwegsamkeit der ET

KATE und die Unwegsamkeit der ET

Datum 11.11.2015

Wenn tropische Wirbelstürme auf die Wettersysteme der mittleren Breiten übergreifen, vollzieht sich ein Umwandlungsprozess, der große Auswirkungen auf die Vorhersagequalität der Wettermodelle haben kann.

Die eigentlich sehr ruhige Wirbelsturmsaison über dem Atlantik hat nun doch noch unerwarteten Nachwuchs bekommen. Ein tropischer Wirbelsturm namens KATE formierte sich vergangenen Montag im Seegebiet der Bahamas. KATE verlagerte sich ohne große Intensitätsschwankungen nord-/nordostwärts und wird heute Morgen (11.11.2015) etwa 800 km östlich der Küste von North Carolina erwartet. Bis morgen Abend zieht KATE etwa parallel zur US-Ostküste und wird vor Neufundland schließlich von der Westwinddrift der mittleren Breiten "aufgefangen" und ostwärts auf den Nordatlantik "hinausgetragen" (siehe Skizze)


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Dabei interagiert KATE zunehmend mit der Polarfront, dem Übergangsbereich zwischen warmer Subtropikluft und kalter Polarluft, und durchläuft einen unter Umständen über mehrere Tage andauernden Umwandlungsprozess von einem tropischen Wirbelsturm zu einem außertropischen Tiefdruckgebiet.

Dieser Umwandlungsprozess, auch "extratropical transition" (engl.) oder kurz "ET" genannt, ist ein typischer Prozess, den tropische Wirbelstürme durchlaufen, wenn sie sich auf ihrem Weg nach Norden der Polarfront und damit einem Bereich erhöhter Lufttemperaturgegensätze nähern. So minimalistisch die Bezeichnung auch ist, die "ET" ist ein komplizierter und noch nicht vollends verstandener Umwandlungsprozess. Reduzieren lässt er sich auf die Tatsache, dass die Wirbelstürme bei der "ET" fortwährend die Eigenschaften eines tropischen Sturmes verlieren und die eines außertropischen Tiefdruckgebietes annehmen.

Ohne an dieser Stelle explizit auf die unterschiedlichen Eigenschaften der tropischen und außertropischen Systeme einzugehen, stellt die ET eine gewisse Unwegsamkeit für die Wettermodelle dar. Wenn ein tropisches System von der Westwinddrift aufgefangen wird und dadurch eine ET durchläuft, beschleunigt sich die Verlagerung mitunter um ein Vielfaches, im Mittel von etwa 5 m/s auf 20 m/s. Das erschwert die Vorhersage der weiteren Verlagerung des Systems. Darüber hinaus erfahren die Systeme während einer ET häufig eine deutliche Intensivierung (kräftiger Luftdruckfall), nachdem sie sich als rein tropischer Wirbelsturm auf dem Weg nordwärts aufgrund schlechterer meteorologischer Entwicklungsfaktoren zunächst erst abschwächen. Ob die ET und die damit verbundene Intensivierung stattfindet und wenn ja, wo, wann und in welchem Ausmaß, wird von den numerischen Wettervorhersagemodellen nur unzureichend berechnet. Verlässliche Vorhersagen gibt es oft erst unmittelbar vor Einsetzen der ET.

Zu den hier angeführten Vorhersageschwierigkeiten, die hauptsächlich aus der noch nicht vollends verstandenen ET resultieren, kommt noch die Problematik, dass tropische Systeme verhältnismäßig kleinräumige Phänomene sind und teilweise durch das vergleichsweise "grobe Raster" der globalen Wettermodelle "fallen". Zudem stellt sich die Datengewinnung über dem freien Ozean immer als relativ schwierig dar, sodass Messwerte verschiedenster meteorologischer Parameter nicht selten eher spärlich vorhanden sind. Dadurch ist die Vorhersage nochmal fehleranfälliger.

Wenn sich KATE nun also in der zweiten Wochenhälfte über dem Nordatlantik zu einem außertropischen Tief umwandeln sollte und nachfolgend auf Europa zusteuert, könnten die Schwierigkeiten, die die Wettermodelle mit der ET haben, zu einer allgemeinen Verschlechterung der Vorhersagequalität führen. Das würde dann insbesondere die Wetterentwicklung ab dem kommenden Wochenende betreffen - auch über Deutschland. Denn je nachdem, wie die ET sich bei KATE äußerst, kann dies auch eine Umstellung der Großwetterlage über Europa bedeuten. Wer weiß, vielleicht ebnet KATE ja sogar den Weg in eine winterlichere Wetterlage...



© Deutscher Wetterdienst

Bild: DWD