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24. September 2015 | Dipl.-Met. Adrian Leyser

Ergrünen der Halbwüste Sahel - ein Wunder?

Ergrünen der Halbwüste Sahel - ein Wunder?

Datum 24.09.2015

Wenn es in wüstenähnlichen Gebieten regnet und die Vegetation nachhaltig erblüht, fühlt man sich schnell dazu verleitet, von einem Wunder zu sprechen. Doch ist es auch im Falle der Sahel ein Wunder der Natur?

Ein Artikel über ein fortwährendes Ergrünen der wüstenähnlichen Sahelzone im Norden Afrikas, der im US-amerikanischen Wirtschaftsmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) erschien, sorgte zuletzt für ordentliches Aufsehen. Nach jahrzehntelanger Dürreperiode soll sich nach Untersuchungen von Forschern der South Dakota State University in den letzten rund 30 Jahren eine sichtbare Erholung der Vegetation in der Sahelzone vollzogen haben.


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Die Sahelzone erstreckt sich über den nördlichen Teil Afrikas vom Atlantik bis zum Roten Meer und ist dabei rund 7000 km lang und 800 km breit. Sie lässt sich als Übergangszone vom eigentlichen Wüstengebiet der Sahara im Norden bis zur Trocken- und Feuchtsavanne im Süden definieren (siehe Karte). Das Wort "Sahel" stammt aus dem Arabischen, bedeutet Ufer oder Küste und bezieht sich u. A. auf die spärlich vorhandene Vegetation der Sahel, die für Saharadurchwanderer wie eine Küste oder ein Ufer vorkommen mag. Das Klima der Sahelzone wird als semiarid eingestuft. Semiaride Klimate sind im Wesentlichen durch lange, ausgeprägte Trockenzeiten gekennzeichnet, die nur vorübergehend durch höchstens drei bis fünf Monate dauernde, feuchte Phasen unterbrochen werden. In diesen feuchten Phasen übersteigt der Niederschlag die Verdunstung, wodurch ansonsten trocken liegende Flüsse kurzzeitig Wasser führen können. Diesen periodisch oder episodisch auftretenden feuchten Phasen folgt auch die von Natur aus eher spärlich vorhandene Vegetation - es bilden sich Halbwüsten aus.

Ein periodisches Ergrünen der Sahelzone wäre also gar nicht mal untypisch. Nun war es aber gerade in den Siebziger- und Achtzigerjahren so, dass die Trockenzeiten immer länger ausfielen und immer seltener von niederschlagsreichen Phasen unterbrochen wurden. Überweidung und Abholzung sorgten zudem für eine Verschlechterung der Böden bis hin zu einer Versteppung durch erhöhte Bodenerosion (Bodenabtragung), was Hungersnöte noch weiter begünstigte. Sowohl die Klimaveränderungen als auch die menschlichen Aktivitäten begünstigten schließlich eine fortschreitende Wüstenbildung (Desertifikation). Die Sahelzone wurde von der Sahara von Norden her regelrecht "aufgefressen".

Ab Mitte der Achtzigerjahre kehrte sich dieser Trend um, die Niederschlagsmengen stiegen wieder deutlich an. Analysen von Satellitenbildern durch die Geowissenschaftler der South Dakota State University bestätigten: die Vegetationsdecke der Sahelzone wuchs in den meisten Fällen signifikant an. Ist das Vegetationswachstum allein eine Folge der Niederschlagszunahme, also klimatischer Trends?

Diese positive Entwicklung mag im Hinblick auf die Vorgeschichte tatsächlich fast wie ein kleines Wunder erscheinen, muss aber relativiert werden. Denn nicht nur die Klimaschwankungen wirken sich auf das Vegetationswachstum aus. Die teils sehr unterschiedliche Landnutzung in der Sahelzone ist als entscheidender Faktor mit anzuführen. So kann beispielsweise ein nachhaltiger Anbau von Grünpflanzen und Aufforstung, wie es durch eine Vielzahl an Initiativen angestrebt und durchgeführt wird, das Gesicht einer Landschaft maßgeblich beeinflussen. Wissenschaftler der Universität zu Bayreuth, aus Frankreich, Spanien und dem Senegal berichteten im Fachjournal "remote sensing" im vergangenen Jahr 2014, dass solche Maßnahmen viel weniger abhängig von klimatischen (Niederschlags-)Trends seien, als bisweilen angenommen. Die Tatsache, dass die Staaten Senegal und Mali besonders von einem Vegetationswachstum profitieren, obwohl die Niederschlagsmengen dort vergleichsweise wenig Änderung zeigen, unterstreicht diese These.

Die Entscheidung, ob die Sahelzone nachhaltig ergrünt oder wieder versteppt, obliegt also mitnichten nur den Naturgewalten, sondern in nicht zu vernachlässigbaren Maße auch dem Menschen.



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