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06. Juli 2015 | Dipl.-Met. Helge Tuschy

Das Testbed des European Severe Storms Laboratory

Wenn Sie dieser Tage den Wetterbericht im Fernsehen schauen, dann werden Ihnen sicherlich folgende Begriffe wiederholt zu Ohren kommen: Gewitter, Unwetter, Hagelschlag, Sturmböen und Starkregen.

Dies sind die typischen Begleiterscheinungen im Sommer, wenn eine heiße und sehr feuchte (gefühlt eine sehr schwüle) Luftmasse Deutschland beeinflusst, wie es heute besonders im Süden der Fall ist und am morgigen Dienstag erneut in weiten Bereichen Deutschlands der Fall sein wird.


Dass die Meteorologen jedoch überhaupt vorhersagen können, ob Sie am
Nachmittag eher ein isoliertes und kurzlebiges Hitzegewitter oder
aber eine markante Unwetterfront mit allen möglichen
Begleiterscheinungen erwarten können liegt daran, dass
unterschiedliche Parameter wie Feuchte, Labilität, Hebung und
Windscherung (Änderung der Windgeschwindigkeit und Windrichtung mit
der Höhe) in den numerischen Wettermodellen ausgewertet werden. Der
jeweilige Grad der Überlappung sorgt letztendlich dafür, wie kräftig
die Gewitter ausfallen und wie schadensträchtig die entsprechenden
Begleiterscheinungen sind.

Wir springen nun in der Zeit direkt in den Bereich, kurz bevor sich
Gewitter entwickeln. Die Meteorologen haben zwar bereits im
Hinterkopf, wie günstig die Überlappung der jeweiligen Parameter für
mehr oder weniger heftige Gewitter ist, doch nun geht es darum, dass
die entsprechenden Warnungen für die einzelnen Gewitter zeitnah
vorbereitet und ausgegeben werden können. Dazu werden diverse
"Werkzeuge" verwendet, die dem Meteorologen zur Verfügung stehen.

Und hier gelangen wir nun zum sogenannten "Testbed", welches seit
2012 jedes Jahr zwischen Mai und Juni für jeweils 4 Wochen in Wiener
Neustadt (Österreich) stattfindet. Ausgerichtet wird das "Testbed"
vom "Europäischen Unwetter- und Forschungsinstitut, ESSL
(www.essl.org)", dessen Mitglied der Deutsche Wetterdienst ist. Das
ESSL führt zahlreiche Studien im Bereich der organisierten Konvektion
durch und unterstützt mit Datenbanken die Erforschung von Unwettern.
Das "Testbed" dient als Interaktion zwischen den Entwicklern und
Wissenschaftlern sowie den Vorhersagern, denn neue Vorhersageprodukte
für die Gewittervorhersage werden während dieser Zeit auf Herz und
Nieren getestet. Mit den entsprechenden Rückmeldungen nach den 4
Wochen können die Entwickler der jeweiligen Produkte dann entweder
erkannte Fehler ausbessern oder neue Vorschläge in die
Produktentwicklung implementieren. Die Vorhersager wiederum können
die Produkte, die meist noch in der Testphase stecken, an Hand der
aktuellen Wetterlage testen und ein Gefühl für deren jeweiligen
Stärken und Schwächen erhalten sowie direkt Fragen an Entwickler
stellen.


Im konkreten Fall wurden in diesem Jahr Produkte getestet, die z.B.
anzeigen, wie stark ein Aufwind eines Gewitters rotiert. Dies kann
mit Hilfe von Radardaten erkannt werden, die die Bewegung von
Regentropfen und Graupel detektieren. Diese Erkenntnis ist für den
Vorhersager sehr wichtig, denn eben diese Gewitter weisen ein hohes
Schadenspotential durch großen Hagel, Sturmböen oder in seltenen
Fällen gar durch Tornados auf. Von daher ist es wichtig zu sehen,
welches Gewitter solch ein Rotationsmerkmal besitzt, um entsprechend
frühzeitig eine Unwetterwarnung ausgeben zu können.

Es wurden auch Produkte getestet, die die Verlagerung eines Gewitters
zeigen. Dies ist vor allem deshalb interessant, weil die Warnungen so
ausgegeben werden sollen, dass die Anzahl von Fehlalarmen so gering
wie möglich ausfällt. Schließlich sollen auch nur die Städte und
Regionen bewarnt werden, die sehr wahrscheinlich die Auswirkungen des
Gewitters spüren werden.
Dies sind nur einige Beispiele aus einem großen Pool zahlreicher
Produkte, die über mehrere Wochen mit aktuell auftretenden
Gewitterlagen oder bei einer ruhigen Hochdrucklage mit archivierten
Gewitterfällen getestet werden. Daran sind jeweils Meteorologen aus
ganz Europa beteiligt.

Wenn Ihnen also das nächste Mal z.B. Unwetterwarnungen im Radio oder
im Fernsehen übermittelt werden, dann wissen Sie, dass diese mit
Hilfe diverser Produkte herausgegeben wurden und entsprechende
Gefahren durch eines oder durch mehrere dieser Produkte erkannt
wurden. Gewitter sind jedoch äußerst lokale und dynamische Systeme,
die sich hinsichtlich ihrer Intensität sehr rasch ändern können, so
dass nicht jeder die bewarnten Begleiterscheinungen in voller Stärke
erleben wird. Es ist aber wahrscheinlich, dass diese Tatsache zum
Beispiel für die allermeisten Haus- und/oder Autobesitzer eine
erfreuliche ist.



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