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12. Juni 2015 | Dipl.-Met. Helge Tuschy

Wenn ein Gewitter extreme Regenmengen bringt

Gewitter... sie sind Gefahr und Faszination zugleich. Gefahr, weil die Begleiterscheinungen eines Gewitters sehr mannigfaltig ausfallen können und von gefährlichen Blitzeinschlägen über schadensträchtigem Hagelschlag, Sturm- oder gar Orkanböen bis hin zu heftigem Niederschlag reichen.

Faszination, weil bestimmt die meisten von uns schon einmal zu nächtlicher Stunde am Fenster standen und den über den Himmel zuckenden Blitzen zugeschaut haben.


Doch manchmal fallen die jeweiligen Begleiterscheinungen wie Regen,
Hagelschlag oder Sturmböen so heftig aus, dass außerordentlich
schwere Schäden zu erwarten sind und auftreten. Im heutigen Thema des
Tages soll der Fokus auf die Begleiterscheinung Starkniederschlag
gelegt werden. War bereits der letzte Sommer von punktuell
auftretenden gewittrigen Extremniederschlägen mit teils verheerenden
Überschwemmungen geprägt, traf es auch in diesem Juni (6.6.15) schon
den Ort Bretten östlich von Karlsruhe mit mehr als 100 l/m² in
weniger als 3h. Auch in den kommenden Tagen drohen uns erneut
Gewitter, die örtlich sehr hohe Niederschlagsmengen hervorrufen
können. Doch wieso geht von manchen Gewittern die Gefahr solch
extremer Niederschläge aus und wie kann man diese vorhersagen?

Zunächst einmal soll noch einmal kurz auf die für die
Gewitterentwicklung notwendigen Zutaten eingegangen werden: In der
Atmosphäre wird Energie für die hoch auftürmenden Gewitterwolken
benötigt und es muss ausreichend Feuchtigkeit vorhanden sein, damit
die Wolken auch bestehen bleiben. Zu guter Letzt braucht es noch
einen Hebungsmechanismus, der diese feuchte und energiegeladene
Luftmasse in höhere Luftschichten verfrachtet und für Kondensation
(Bildung von Wolkentröpfchen und Eiskristallen) sorgt. Dies geschieht
oft im Sommer im Bereich einer Kaltfront, wenn die kalte Luft auf die
davor lagernde schwül-warme Luft trifft, sich unter diese schiebt und
die Warmluft spontan anhebt.
Zusätzlich kann auch noch die Windscherung eine Rolle spielen, denn
bei einer Zunahme der Windgeschwindigkeit und Änderung der
Windrichtung mit der Höhe leben Gewitterzellen länger und sind auch
sehr häufig mit schadensträchtigen Begleiterscheinungen wie Hagel
oder Sturmböen verbunden. Allerdings resultiert der kräftige
Höhenwind meist auch in einer raschen Verlagerung der Gewitter und
verringert somit das Starkregenpotential.

Zum Vergrößern bitte klicken
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In den meisten Fällen ist aber eher schwacher Wind in der mittleren
Troposphäre (3 bis 5 km über dem Erdboden) dafür verantwortlich, dass
Gewitter sich auch entsprechend langsam verlagern, teilweise auch wie
z.B. in Bretten an Ort und Stelle verharren. Die Regenlast wird daher
für längere Zeit über einem Ort "abgeworfen" und es kommt zu den
bekannten "Sturzfluten", die auch oft mit Muren (Erdrutschen)
verbunden sind. Dann muss die Troposphäre natürlich auch hochreichend
feucht sein.

Aber auch die Sonneneinstrahlung kann zu einem gewitterauslösenden
Impuls führen. Im Sommer bilden sich durch die Aufheizung des
Erdbodens sogenannte Konvergenzzonen aus, wo heiße Luft aufsteigt und
bodennah aus entgegengesetzten Richtungen nachgeführt wird. Zudem
sorgen die zusammenströmenden feuchten Luftmassen für ein erhöhtes
Feuchteangebot entlang einer Konvergenz. Ein Gewitter erfährt somit
maximale Feuchtezufuhr und Hebung, weshalb es sich vor Ort immer
wieder regenerieren kann - in der Meteorologie wird dies auch als
"training" (über einer Stelle wiederholt ziehend) oder
"back-building" (gegen die Zugrichtung des Gewitters rückwärts
anbauend) bezeichnet. Genau dies sorgt für die extremen
Niederschläge.

Auf Grund dieser physikalisch und thermodynamisch nachvollziehbaren
Vorgänge lassen sich die Begleiterscheinungen solcher Gewitter recht
gut vorhersagen. Wir Meteorologen sprechen hierbei von einer
Konvektionsanalyse. Da sich die atmosphärischen Bedingungen auf
kleinstem Raum aber rasch ändern können und dies auch kaum von den
Rechenmodellen erfasst werden kann, ist die genaue Ortsbestimmung für
die Gewitterentstehung schwierig und stellt uns Meteorologen auch in
der heutigen Zeit trotz der fortgeschrittenen Computertechnologie vor
große Herausforderungen.

Ein Blick auf den heutigen Freitag und das kommende Wochenende zeigt,
dass die Rahmenbedingungen für Gewitter mit heftigem Starkregen über
Deutschland erneut gegeben sind, da vorderseitig des Tiefs "MICHEL"
über der Biskaya hochreichend feuchte, warme und energiegeladene Luft
vom westlichen Mittelmeer nach Deutschland gelenkt wird. Behalten Sie
bitte daher heute und die kommenden Tage die Wetter- und Warnlage im
Auge und informieren Sie sich unter http://www.wettergefahren.de oder in der
neuen DWD WarnWetter-App über die aktuelle Wetterentwicklung.



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