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09. Juni 2015 | M.Sc.-Met. Sebastian Schappert

Einblick in die Wolken

Niederschlag kann in den unterschiedlichsten Formen auftreten, beispielsweise als Nieselregen mit kleinen oder Regen mit großen Tropfen, als Schnee oder Graupel oder in Verbindung mit Gewittern in Form von Hagel.

Die genaue Vorhersage der Niederschlagsform stellt
für Meteorologen jedoch oft eine Herausforderung dar. Moderne
Radarsysteme bieten die Möglichkeit "in die Wolken hinein zu
schauen", um den Niederschlag näher zu charakterisieren.
Radarsysteme senden einen sehr kurzen, elektromagnetischen Impuls im
Mikrowellenbereich aus, der von Streukörpern (zum Beispiel
Niederschlags- oder Staubpartikel, Insekten, etc.) in Teilen
reflektiert und vom Radarstandort wieder erfasst wird. Über die
Laufzeit des Signals, das sich nahezu mit Lichtgeschwindigkeit
ausbreitet, lässt sich zum Beispiel beim Niederschlagsradar die
Entfernung der Streupartikel feststellen. Die Stärke des
zurückgestreuten Signals lässt indirekte Rückschlüsse auf die
Niederschlagsart und vor allem auf die Intensität zu. Die
Eigengeschwindigkeit der Streukörper relativ zum Radarstandort lässt
sich mithilfe eines Dopplerradars erfassen (siehe Thema des Tages vom
30.03.2015).

Dualpolarisationsradar
Dualpolarisationsradar


Um eine genauere Vorhersage der Art und Größe der
Niederschlagspartikel sowie der Intensität des Niederschlags zu
ermöglichen, werden die Radarstandorte des Deutschen Wetterdienstes
zurzeit auf sogenannte dualpolarimetrische Radarsysteme umgerüstet.
Beim Dualpolarisationsradar spielt die sogenannte Polarisation des
ausgesendeten Impulses eine maßgebliche Rolle. Aber worum handelt es
sich bei der Polarisation genau und wie funktioniert ein solches
dualpolarimetrisches Radarsystem?

Beschreiben wir den vom Radargerät ausgesendeten Impuls als
schwingende Welle mit gleichmäßigen Wellenbergen und -tälern, so kann
bei einem dualpolarisierten Impuls zwischen einem horizontal und
einem vertikal schwingenden Signal unterschieden werden (siehe obere
linke Abbildung). Während der ausgesendete Impuls beim einfachen
Polarisationssradar nur eine horizontale Schwingungsrichtung
aufweist, werden beim Dualpolarisationsradar gleichzeitig vertikal
und horizontal polarisierte Impulse ausgesendet. Damit lassen sich
zusätzliche Informationen über bestimmte Eigenschaften der
Streukörper gewinnen.

Da große Regentropfen beispielsweise im Vergleich zu Schneekristallen
oder Hagel durch den Luftwiderstand beim Fallen eine ovale,
abgeplattete Form besitzen und somit breiter als hoch sind, weisen
die zurückgestreuten horizontal polarisierten Impulse eine höhere
Intensität als die vertikal polarisierten Impulse auf. Über das
Verhältnis der zurückgestreuten Intensität beider polarisierten
Impulse lässt sich dann eine Aussage über die horizontale bzw.
vertikale Ausdehnung des Streukörpers treffen und somit zwischen
verschiedenen Körperformen unterscheiden.

Unterschiede in den physikalischen Eigenschaften von Wasser und Eis,
wie zum Beispiel der Durchlässigkeit von elektromagnetischen Signalen
(dielektrische Leitfähigkeit) und der Dichte beider Stoffe wirken
sich ebenfalls auf die Impulse aus. Der Vergleich von mehreren
hintereinander ausgesendeten, polarisierten Impulsen zeigt die
zeitliche Änderung der räumlichen Orientierung der Streukörper. Diese
räumliche Orientierung ändert sich bei fallenden Regentropfen kaum
über die Zeit, wohingegen bei Eis-Wasser-Mischungen wie z.B. Hagel
beim Fallen taumelnde Bewegungen registriert werden.

Kombiniert man diese Größen mit der vom Niederschlagsradar gemessenen
Intensität des zurückgestreuten, polarisierten Impulses, lassen sich
die verschiedenen Niederschlagsarten aufgrund der unterschiedlichen
Konsistenz, Größe und Form der Niederschlagspartikel voneinander
trennen. Trägt man die verschiedenen Informationen aller
ausgewerteten Impulse zusammen, erhält man für diesen Radarstandort
ein flächendeckendes Bild der Niederschlagsarten.

Bei der Interpretation der Radarbilder des Polarisationsradars ist
jedoch Vorsicht geboten: Die dargestellten Informationen können aus
unterschiedlichen Höhen stammen. Aufgrund der schrägen Abstrahlung
vom Radar trifft der Radarstrahl mit zunehmender Entfernung vom
Standort auf Streukörper in größeren Höhen. Es wird also keine
Aussage darüber gemacht, welchen Eigenschaften die
Niederschlagspartikel am Boden besitzen, sondern in der Höhe, in der
sie vom Radarstrahl getroffen werden. Entsprechend muss bei der
Abschätzung der Niederschlagsform immer die Angabe zur Höhe des
abtastenden Radarstrahls berücksichtigt werden.

Derzeit laufen im DWD Entwicklungsarbeiten um auf Basis der neuen
Dual-Polarisierungstechnologie Radarprodukte bereitzustellen, die in
der operationellen Wettervorhersage genutzt werden können. Um einen
kleinen Vorgeschmack zu bieten, werden im heutigen Thema des Tages
Abbildungen aus der Forschungsabteilung des Deutschen Wetterdienstes
am Beispiel des 13.05.2015 gezeigt. An diesem Tag zogen von
Frankreich her heftige Gewitter nach Deutschland, die in Freiburg am
Abend gegen 20:50 Uhr mit bis zu 5 cm großem Hagel auftraten (siehe
violette Pixel innerhalb der roten Markierung in den Abbildungen).

Zum Vergrößern bitte klicken
Zum Vergrößern bitte klicken


Die Niederschlagsform ist in der rechten unteren Abbildung
dargestellt, darüber wird der gleiche Zeitpunkt in einem vergrößerten
Ausschnitt gezeigt. Die Einfärbung entspricht jeweils einer
bestimmten Niederschlagsart, die der Legende zu entnehmen ist. Die
linke untere Abbildung zeigt die Höhe, in der die Streukörper den
abtastenden Radarstrahl reflektieren. Die Einfärbung steht hier für
die entsprechende Höhe, die Werte in Meter sind der Legende zu
entnehmen.

Die Dualpolarisationsradare bieten demnach für den Deutschen
Wetterdienst ein großes Potenzial, um in den nächsten Jahren noch
präzisere Wettervorhersagen- und Warnungen für die Öffentlichkeit
bereitzustellen.


© Deutscher Wetterdienst

Bild: DWD