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09. Mai 2015 | M.Sc.-Met. Andreas Würtz

Kommen die Eisheiligen?

In zwei Tagen ist es wieder so weit, die Eisheiligen stehen vor der Tür. Dabei stellen die Eisheiligen eine "Singularität" dar. Dieser Begriff leitet sich vom lateinischen Wort "singularis" - "einzigartig" - ab und bezeichnet in der Meteorologie sogenannte Witterungsregelfälle.


Dabei handelt es sich um Wetterlagen, die zu einer bestimmten Zeit im
Jahr mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auftreten und für eine
markante Abweichung der Wetterelemente vom Mittelwert sorgen.

Bei den Eisheiligen handelt es sich um - je nach Region - drei bis
fünf Gedenktage von Wetterheiligen. Namentlich sind das Mamertus am
11., Pankratius am 12., Servatius am 13., Bonifatius am 14. und
schließlich Sophie am 15. Mai, allesamt Bischöfe und Märtyrer und
eine Märtyrin aus frühchristlicher Zeit. Jahrhundertealte Erfahrungen
und Beobachtungen von Bauern gehen davon aus, dass das milde
Frühlingswetter erst nach Ablauf der "Kalten Sophie" stabil wird.
Eine alte Bauernregel besagt: "Vor Nachtfrost du nie sicher bist, bis
Sophie vorüber ist."

Diese Annahmen lassen sich aber heutzutage nicht mehr ohne
Einschränkung bestätigen. Durch eine Reform, die erst im 18.
Jahrhundert flächendeckend in Mitteleuropa durchgeführt wurde,
verschob sich der Kalender um 11 Tage. Dabei wurden aber die
Gedenktage der Heiligen nicht angepasst, wodurch Mamertus und Co.
somit eigentlich erst in der zweiten Maidekade auftreten.
Treten die Eisheiligen ein, so ist deren Ursache, dass sich das
europäische Festland im Mai stärker erwärmt als der Atlantik. Im
Übergangsbereich zwischen Warmluft über dem Land und Kaltluft über
dem Meer bilden sich Tiefdruckgebiete. Diese führen an ihrer
Westseite polare Luftmassen nach Mitteleuropa, die in klaren Nächten
für Fröste sorgen können.

Eine typische "Eisheiligen-Großwetterlage" besteht dann, wenn z. B.
zwischen einem Hochdruckgebiet bei den Britischen Inseln und einem
Tief über Fennoskandinavien mit nördlicher oder nordwestlicher
Strömung polare Meeresluft nach Mitteleuropa fließt und unter
Hochdruckeinfluss gerät.


Und wie sieht es mit den Eisheiligen in diesem Jahr aus? Dazu schauen
wir zunächst auf die Großwetterlage, um eventuelle Kaltluftvorstöße
auszumachen. Diese sieht allerdings alles andere als "kalt" aus. Am
Montag den 11. Mai befindet sich ein Tief nordwestlich der Britischen
Inseln. Ihm gegenüber steht ein ausgedehntes Hoch, das sich von
Südeuropa bis nach Rußland erstreckt. Sein Hochzentrum kommt dabei
voraussichtlich genau über Deutschland zum Liegen. Somit wird mit
einer südlichen bis südwestlichen Strömung warme Subtropikluft zu uns
geführt.

An dieser großräumigen Druckverteilung bzw. diesem Strömungsmuster
tritt auch am Dienstag keine grundlegende Änderung ein. Dabei bleibt
über Westeuropa und dem nahen Ostatlantik weiterhin tiefer Luftdruck
wetterbestimmend, wobei sich das Tief nordwestlich der Britischen
Inseln allmählich in Richtung Norwegen verlagert. Auch das Hoch über
dem Süden und Osten Europas bleibt weiterhin bestehen.
Folglich liegen die Tiefstwerte allgemein im positiven Bereich.
Lediglich in ungünstigen Lagen der östlichen Mittelgebirge kann es in
der Nacht zum Montag bei Aufklaren zu leichtem Bodenfrost kommen.
Aber bereits in der darauf folgenden Nacht bleibt es bei Tiefstwerten
zwischen 15 und 4 Grad auch am Boden frostfrei.

Am Mittwoch verlagert sich das Tief weiter in Richtung Nordosteuropa
und befindet sich am Abend mit seinem Zentrum über Finnland. Vom
Atlantik nähert sich bereits das nächste Tief Westeuropa an, wobei
das Hoch über Südeuropa weiterhin stationär bleibt. Diese
Druckkonstellation führt schließlich zu einer Zweiteilung der
Temperaturverteilung. Während in der Nordhälfte mit einer westlichen
Strömung bereits kühlere Atlantikluft einfließt, bleibt im Süden
Deutschlands weiterhin warme Subtropikluft wetterbestimmend. Aufgrund
relativ starker Bewölkung muss im Norden dennoch nicht mit Luftfrost
gerechnet werden.

Am Donnerstag schiebt sich das derzeit über Westeuropa befindende
Tiefdruckgebiet in Richtung Deutschland und verdrängt auch im Süden
Deutschlands mit einer westlichen Strömung die Warmluft in Richtung
Südosteuropa. Dabei bleibt das Tief über Nordeuropa, mit Zentrum über
dem nördlichen Baltikum weiterhin aktiv.

Zur kalten Sophie am Freitag liegt Deutschland schlussendlich im
Einflussbereich eines riesigen Tiefdruckkomplexes, das sich von West-
über Mittel- bis nach Nordosteuropa erstreckt. Dabei gelangen mit
einer westlichen Strömung zunehmend kühlere Luftmassen vom Atlantik
zu uns. Aufgrund des zunehmend wolkenreichen und wechselhaften
Wettercharakters bleiben die Nachttemperaturen bis zum Freitag
dennoch im positiven Bereich.


Durch den doch eher bescheidenen Kaltluftvorstoß kommt es in den
kommenden Tagen also nicht zu den typischen
"Eisheiligen-Nachtfrösten", dennoch könnte es zum nächsten Wochenende
spannend werden.

Mit weiterer Ostwärtsverlagerung dieses Tiefdruckkomplexes und einer
Intensivierung des Azorenhochs könnte die Strömung am Wochenende auf
Nordwest drehen, sodass maritime Kaltluft polaren Ursprungs zu uns
einfließen kann.

Ob diese Wetterlage jedoch genau so eintrifft und uns die
Eisheiligen, wenn auch etwas verspätet, die letzten Nachtfröste
bescheren, ist durchaus noch sehr unsicher.



© Deutscher Wetterdienst