26. Februar 2015 | Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Das Gespenst im Nebel
Für manche Lyriker ist er eine Inspiration und in einem guten Gruselfilm darf er auch nicht fehlen: der Nebel.
Besonders gespenstisch wird es, wenn in einer dichten Nebelwand eine
Figur auftaucht, die auch noch geisterhaft wabert. Solch eine
Erscheinung kann unter bestimmten Wetterbedingungen tatsächlich
beobachtet werden, hat aber weder etwas mit Geistern, noch mit
Computeranimationen zu tun: Es handelt sich dabei vielmehr um ein
optisches Phänomen namens "Brockengespenst", mit dem uns die Natur in
Staunen und Schrecken versetzen kann.
Das scheinbare Mysterium ist zu beobachten, wenn man mit dem Rücken
zur tief stehenden Sonne steht und der eigene Schatten auf eine
Nebelbank fällt. Nebel besteht aus sehr vielen kleinen
Wassertröpfchen, was man gut im Scheinwerferlicht eines Autos oder
einer Taschenlampe beobachten kann. Der Schatten des
Brockengespenstes (also der Schatten des eigenen Körpers) wird
folglich nicht auf eine feste Fläche abgebildet, sondern auf jedes
einzelne Tröpfchen und erscheint dadurch verzerrt. Wenn sich der
Nebel etwas bewegt, dann bewegt sich also auch der Schatten, ohne
dass sich der Beobachter bewegt. Je kleiner die Entfernung zwischen
der Person und dem Nebel, desto größer wirkt das Schattenbild, das
dadurch ziemlich unheimlich erscheinen kann.
Um diesen Eindruck zu verstärken, gesellt sich oft noch ein weiteres
optisches Phänomen hinzu: Auf der Nebelbank kann sich um den Schatten
des Betrachters herum mitunter noch ein bunter Ring in blau, grün,
gelb und rot bilden. Das wirkt dann wie ein Heiligenschein und wird
deshalb auch "Glorie" genannt.
Damit solche konzentrische Ringe entstehen, muss das Licht an den
Tropfen im Nebel zuerst um 180° (also wieder in Richtung des
Beobachters) zurückgestreut und anschließend gebeugt werden. Bei der
optischen Beugung werden Lichtwellen an sehr kleinen Hindernissen in
Abhängigkeit von ihrer Lichtfarbe (der so genannten Wellenlänge)
unterschiedlich stark abgelenkt.
Dadurch wird das weiße Sonnenlicht in seine Spektralfarben zerlegt
(Dispersion). Rotes Licht hat beispielsweise eine größere Wellenlänge
als blaues Licht und wird dadurch stärker gebeugt.
Seinen Namen verdankt das Brockengespenst dem oft vernebelten
Brocken, dem höchsten Berg im Harzgebirge; beobachtet und beschrieben
wurde das Phänomen erstmals im Jahre 1780 vom deutschen Naturforscher
Johann E. Silberschlag.
Die idealen Bedingungen zur Entstehung eines Brockengespenstes samt
Glorie kommen nicht allzu oft vor, sodass das Naturschauspiel eher
selten zu beobachten ist. Am günstigsten ist ein idealer Standort: Im
Bergland beispielsweise kann ein über dem Nebel stehender Beobachter
oft bei Sonnenschein seinen Schatten von einer farbigen Glorie
umgeben sehen. So entstand auch bei einer Skitour das eindrucksvolle
Foto am Geissweidengrat in der Nähe des
schweizerischen Davos Monstein.
Übrigens: den Begriff "Brockengespenst" hat Johann Wolfgang von
Goethe geprägt, als er selbst von dem Phänomen erschreckt wurde und
in seinen Reisebeschreibungen davon berichtete. Dieser Schreck wird
Ihnen dank des neu gewonnenen Wissens ja hoffentlich nicht mehr
widerfahren!
© Deutscher Wetterdienst
Bild: DWD
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