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03. November 2014 | M.Sc. Met. Stefan Bach

Wenn Böhmen die Luft ablässt...

Wer am heutigen Montag in der Sächsischen Schweiz mit dem Fahrrad auf dem Elberadweg die schöne Landschaft erkunden möchte, der sollte lieber erst einmal mit dem Zug bis nach Tschechien fahren und von dort aus wieder nach Deutschland mit dem Rad.

Nur so bleiben dem geneigten Radfahrer wohl Flüche wegen des steten Gegenwindes erspart, denn der Böhmische Wind weht wieder.

Der Elberadweg hat auch im Herbst seinen Reiz
Der Elberadweg hat auch im Herbst seinen Reiz


Beim Böhmischen Wind, der in Bayern auch Böhmwind genannt wird,
handelt es sich um ein regionales Windsystem. Eine Vorbedingung für
seine Entstehung ist ein nahezu ortsfestes Hochdruckgebiet über dem
östlichen Mitteleuropa, in dem die Luft großräumig absinkt. Im
Böhmischen Becken herrscht dann höherer Luftdruck als westlich davon.
Zudem bildet sich im Winterhalbjahr im Einflussbereich des Hochs oft
eine über mehrere Tage anhaltende Inversion (stabile Schichtung der
Atmosphäre, bei der die Temperatur mit der Höhe zunimmt), sodass sich
das Böhmische Becken mit einer etwa 800 bis 1000 Meter mächtigen
Kaltluftschicht anfüllen kann. Aufgrund der Tatsache, dass kalte Luft
schwerer ist als warme, sinkt sie zu Boden. Daher bildet sich dort
ein kleinräumiges Kältehoch. Die nun vor Ort lagernde Kaltluft neigt
wegen des fehlenden Austauschs mit darüber liegenden Luftschichten
außerdem noch zu Nebel- und Hochnebelbildung. Ins angrenzende Sachsen
und Bayern kann sie sich aufgrund der Orografie nicht ausbreiten.
Nicht nur, aber auch dadurch, herrscht in Sachsen und Bayern aber
relativ gesehen niedrigerer Luftdruck. Nun ist die Natur bestrebt,
diese Unterschiede auszugleichen, was durch Wind geschieht, welcher
bekanntlich vom hohen zum tiefen Luftdruck weht. Jedoch behindern die
Randgebirge, durch die Böhmen von drei Seiten umgeben ist, diesen
Ausgleich. Dieser ist nur auf zwei verschiedenen Wegen möglich:

Einerseits kann die Inversionsobergrenze etwas höher liegen als die
Kammlagen des Osterzgebirges. Dann schwappt die Kaltluft über die
Kammlagen, wo sie für eine ziemlich dicke "Nebelsuppe" sorgt. Die
Kaltluft, die über den Kamm streicht, weht als Fallwind in die Täler.
Weiter westlich ist das Erzgebirge höher, weshalb dort die Kamm- und
Gipfellagen wolkenfrei und wärmer sind. Siehe dazu auch die Grafiken:

Zum Vergrößern bitte klicken
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Andererseits kann die Kaltluft auch bei niedrigerer
Inversionsobergrenze direkt in die Durchbruchtäler als kalter
Fallwind abfließen. Der Wind wird in den Durchbruchstälern durch
Kanalisationseffekte noch verstärkt. Aufgrund des Gefälles fließt die
Kaltluft im Tal selbst immer schneller, sodass Sturmböen, teilweise
sogar schadensträchtige Orkanböen, auftreten können.
Im Winter können sich daher bei vorhandener Schneedecke innerhalb
kurzer Zeit hohe Schneeverwehungen bilden. Außerdem liegen die
Temperaturen im Elbtal aufgrund der einfließenden Kaltluft deutlich
niedriger als im Umland, im Winter herrscht oft Dauerfrost.

Besonders betroffen vom Böhmischen Wind sind in Ostbayern die Täler
mit einer Ost-West-Ausrichtung, in Sachsen die mit einer Ausrichtung
Südost-Nordwest (bspw. Elbe) bzw. Süd-Nord (Spree, Neiße). Die
Ausgleichströmung hält so lange an, wie über dem Böhmischen Becken
höherer Luftdruck herrscht, was im Winter mitunter ein bis drei
Wochen dauern kann. Oft haben heranziehende Warmfronten nicht die
nötige Kraft, die lagernde Kaltluft auszuräumen. Erst eine
Durchmischung, wie sie beispielsweise durch eine kräftige Kaltfront
verursacht wird, bringt den Böhmischen Wind zum Erliegen.

Wie eingangs erwähnt, sollte der "Elberadler" derzeit die richtige
Fahrtrichtung wählen. Der Böhmische Wind wird in Ostsachsen aus
jetziger Sicht wohl bis zum Mittwochvormittag anhalten. Dabei werden
zunächst Windböen bis 60 km/h erwartet, später sind stürmische Böen
bis 75 km/h nicht ausgeschlossen. Lichtenhain-Mittelndorf meldete
heute Morgen bereits Böen von 58 km/h, Görlitz von 54 km/h.


© Deutscher Wetterdienst