21. Oktober 2014 | Dipl.-Met. Marcus Beyer
(Ex-)Gonzalo und der Tanz der Blätter
Ein warmes, fast sommerliches Oktoberwochenende liegt hinter uns. Die Reihen im Zuschauerraum sind bis auf den letzten Platz gefüllt. Ein actionreiches Theaterstück über den Herbst steht auf dem Programm und dann soll auch noch Gonzalo die Hauptrolle spielen, ein Schauspieler, der aus den Tropen stammt. Das Licht wird verdunkelt, der Vorhang öffnet sich und das Stück beginnt.
1.Akt : "Gonzalos Geburt"
Es ist der Abend des 12. Oktober 2014, als Gonzalo östlich der
Kleinen Antillen aus einer tropischen Störung heraus das Licht der
Wetterwelt erblickt. Schon früh erkennt der noch kleine Tropensturm
seine Bestimmung und wächst rasch heran. Bereits in der Nacht vom 13.
auf den 14. Oktober erreicht Gonzalo die Kategorie eines Hurrikans.
Vom 15. bis zum 17.Oktober ist der tropische Sturm schließlich auf
dem Höhepunkt seines Schaffens und wird in die Kategorie 4
eingestuft. Innerhalb seines Windfeldes werden Geschwindigkeiten über
200 km/h (einminütiges Mittel) erreicht. Die Bermudainseln bekommen
die Macht der Wellen und des Windes mit voller Härte zu spüren, auch
wenn der Hurrikan zu diesem Zeitpunkt schon in die Kategorie 2
herunter gestuft wurde.
2.Akt: "Gonzalos Verwandlung"
Gonzalo wandert unter Abschwächung zunächst nach Norden, ehe er bei
Neufundland plötzlich nach Osten abbiegt, gesteuert von der
Höhenströmung, der Westdrift der mittleren Breiten, in die Gonzalo
nun einbezogen wird. Das ist auch die Zeitpunkt in dem sich der Sturm
nicht nur vorübergehend deutlich abschwächt, sondern eine
umfangreiche Verwandlung erfährt. Das fehlende warme Wasser und die
kräftigen Winde in höheren Luftschichten sorgten dafür, dass Gonzalo
seinen warmen Kern verliert. Als Ersatz dafür bilden sich eine Kalt-
und eine Warmfront, wie es für Tiefs der mittleren Breiten typisch
ist. Gonzalo hat sich also von einem tropischen System zu einem
außertropischen Tiefdruckgebiet umgewandelt.
3.Akt: "(Ex-)Gonzalo mit neuer Kraft"
Die Wandlung zu einem Tief hat Gonzalo offenbar gut getan und er
konnte sich unter Einbezug polarer Luftmassen bis zum heutigen Tag
erneut deutlich verstärken. Aktuell befindet sich das Sturmtief vor
der schottischen Ostküste und erlebt mitten im Herbst seinen zweiten
Frühling als außertropisches Tief. Mit einem Kerndruck von 977.5 hPa
befindet es sich derzeit auf einem neuen Höhepunkt. Im Laufe des
heutigen und morgigen Tages wandert Ex-Gonzalo von der Nordsee über
Niedersachsen und die östlichen Bundesländer hinweg in Richtung
Balkan. An seiner Westflanke baut sich ein kräftiger
Luftdruckgradient zu einem Hoch über der Biskaya auf. Diese
Luftdruckunterschiede möchte die Natur ausgleichen und das
funktioniert über den Wind. Dieser transportiert Luftpartikel vom
Hoch zum Tief, ganz so wie Wasser von einem hohen Berg in ein tiefes
Tal hinabfließt. Durch die Rotation der Erde und die dadurch aufgrund
der Trägheit resultierenden Corioliskraft, werden die Luftteilchen
abgelenkt und strömen in einem gewissen Winkel um das Tief gegen den
Uhrzeigersinn herum.
Schlussakt: "Gonzalo und seine Folgen"
Mit der Entwicklung werden zwei Höhepunkte erwartet. Den ersten
Paukenschlag gibt es mit der Passage der Kaltfront, die am heutigen
Nachmittag den Westen Deutschlands erreicht und südostwärts wandert.
Mit dieser Linie werden teils kräftige Schauer und auch Gewitter
erwartet, die Sturmböen, teils auch schwere Sturmböen bis ins
Flachland bringen können. Insbesondere im Süden sind auch orkanartige
Böen möglich. Zudem sinkt die Temperatur nach Kaltfrontpassage
deutlich ab, sodass in den höheren Bergen Schnee fällt.
Den zweiten Schwerpunkt bringt dann der morgige Tag. In der Kaltluft
gibt es im Tagesverlauf wiederholt schauerartig verstärkte
Niederschläge, wobei der flotte Höhenwind, der Ex-Gonzalo begleitet
nach unten gemischt werden kann. Dann sind erneut Sturmböen,
vereinzelt auch schwere Sturmböen möglich. Im Bergland treten auch
orkanartige Böen auf. Zudem gibt es im Nordstau der östlichen
Mittelgebirge und am Alpenrand intensive Niederschläge, wobei sich
oberhalb von 1000 m eine Schneedecke ausbilden soll.
Kaum bemerkbar macht sich der Sturm im Nordosten von Deutschland.
Nach dem Ende der beeindruckenden Vorstellung verlassen die Zuschauer
den Saal und treten auf die Straße. Die Bäume haben ihre Blätter
verloren, die nun wild am Boden hin und her tanzen. Die zuvor grauen
Berge haben eine weiße Haube bekommen. So schnell kann es also gehen
und allen wird klar: Gonzalo hat den Herbst gebracht!
© Deutscher Wetterdienst
Bild: DWD
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