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08. Oktober 2014 | Dipl.-Met. Helge Tuschy

Sturmtief KATRIN I bringt vielerorts ein "laues Lüftchen"

Ein ausgeprägtes Sturmtief mit dem Namen KATRIN I liegt am heutigen Mittwochvormittag mit seinem Zentrum rund 300 km westlich von Irland und sorgt in weiten Bereichen Westeuropas für windiges und sehr wechselhaftes Wetter.


Es beeinflusst mit seinen Ausläufern einen Bereich von der Biskaya bis nach Schweden. Aber wie entstand eigentlich dieses kräftige Tief?

Bereits Ende September verstärkten sich die Temperaturgegensätze
südlich von Grönland. Frostig kalte Luft strömte über die
Baffin-Bucht südwärts und erwärmte sich nur zögernd, da die
Wassertemperaturen von Nord nach Süd gesehen gerade einmal 0 bis 8
Grad Celsius betrugen. Auch vom eisigen Landesinneren Grönlands wurde
die Luft südwärts geführt und traf dort auf die deutlich wärmere
Atlantik-, ja teils sogar Subtropikluft. Während entlang der
Südspitze Grönlands in den vergangenen Tagen die Höchsttemperaturen
kaum über 7 Grad Celsius stiegen, konnten die Bewohner Neufundlands
teils nochmals Temperaturen von über 20 Grad Celsius genießen.
Solch markante Temperaturgegensätze in diesen Regionen sind meist die
Geburtsstätte für sehr kräftige Tiefdruckentwicklungen. Daher
verwundert es nicht, dass sich südlich von Grönland seit Ende
September wiederholt mächtige Sturm-, teils auch Orkantiefs bilden
konnten, die dort sehr stürmisches Wetter brachten. Im Zuge dieser
wiederholten Tiefdruckentwicklungen entstand eine ausgeprägte
Luftmassengrenze, die sich von Neufundland bis zum östlichen Atlantik
erstreckte.


Seit dem Wochenende verlagerte sich der Schwerpunkt der
Tiefdruckaktivität allmählich von Island südostwärts und hat nun
Irland und Großbritannien erreicht. Da jedoch mit NIKOLAI ein sehr
kräftiges und zähes Hochdruckgebiet über dem Westen Russlands liegt
und somit den Weg nach Osten versperrt, kann sich KATRIN I auch nur
sehr zögernd verlagern und verweilt bis zum kommenden Wochenende mehr
oder weniger vor Ort. Die Luftmassengrenze, die sich mittlerweile von
den Azoren bis nach Südschweden erstreckt, verlagert sich somit in
den kommenden Tagen nur geringfügig. Sie trennt weiterhin sehr warme
Luft im Süden (24-27 Grad auf den Azoren oder bis 29 Grad im Süden
und Osten Spaniens) von deutlich frischerer Luft im Norden
(Großbritannien mit 12 bis 16 Grad). KATRIN I sorgt in den kommenden
Tagen immer wieder dafür, dass sich entlang dieser Luftmassengrenze
Störungen (in der Meteorologie auch als "Wellen" bekannt, da sie
keinen abgeschlossenen Tiefdruckkern aufweisen) ausbilden, die rasch
ostwärts nach Deutschland ziehen.

Windspitzen 8. Oktober nach GFS-Modell
Windspitzen 8. Oktober nach GFS-Modell


Bereits heute intensiviert sich der Wind über Frankreich im Verlauf
des Mittags im Zuge der Annäherung einer Welle mit
Windgeschwindigkeiten von teils über 100 km/h in 1500 m über Grund.
Dieses Windfeld erreicht bis zum Abend auch die Mitte und den Westen
Deutschlands. Wie stark letztendlich der Wind in Bodennähe weht,
entscheiden neben der Stärke des Höhenwindes aber auch andere
Faktoren. Wichtig ist, dass der Wind aus solchen Höhen
"herabgemischt" werden kann.
Es darf sich zum Beispiel keine Inversion zwischen dem Bereich mit
stärkeren Höhenwinden und dem Erdboden ausbilden, die dieses
Herabmischen unterbinden könnte. Eine Inversion ist ein stabiler
Atmosphärenzustand, bei dem warme über kälterer Luft zu liegen kommt
und die Durchmischung der vertikal gesehen unterschiedlich
temperierten Luftmassen unterdrückt. Solch eine Inversion bildet sich
zwar häufig bei ruhigen Strahlungsnächten aus, wo sich die bodennahe
Luftmasse rasch abkühlen kann, doch auch bei Warmluftzufuhr kann sich
diese entwickeln, wenn wärmere über kühlere Luft geführt wird.

Letzteres wird auch heute der Fall sein, da mit Annäherung der Welle
eine Warmfront bis zum Mittag von Frankreich in den Westen
Deutschland herangeführt wird. Es ist daher zu erwarten, dass die
stärksten Winde nicht bis ins Tiefland durchgreifen können und sich
die stürmischen Böen mehr auf das Bergland beschränken, da die
Bergregionen entlang oder knapp über der Inversion zu finden sein
werden. So wird sich der Wind von Tief KATRIN I im Tiefland häufig
nur wie ein "laues Lüftchen" anfühlen, was man nicht unbedingt
erwartet, wenn man es mit einem Sturmtief zu tun hat.

Vorsicht jedoch ist bei Schauern und Gewittern geboten. Deren durch
Regen erzeugte kalte Abwinde durchbrechen solch stabilere
Schichtungen, sodass kurzfristig und eng begrenzt stärkere Höhenwinde
herabgemischt werden können. Dies würde den Westen Deutschlands zum
Abend hin betreffen, wenn sich von Westen eine schwache Kaltfront
annähert und somit die Gefahr von Schauern und einzelnen Gewittern
etwas zunimmt. Zudem sorgt die Kaltfront auch für eine Durchmischung
der Luftmasse und für einen Abbau der Inversion. Daher können die
Höhenwinde deutlich besser bis zum Boden hin durchgreifen.
Übrigens zeigt KATRIN I nicht weit entfernt ihr wahres Ich. In
Großbritannien ist die Luftmasse heute Nachmittag deutlich labiler
geschichtet und verbreitet treten teils kräftige Schauer und Gewitter
mit stürmischen Böen auf. Sogar vereinzelte Tornados sind hier
möglich.

Niederschlagsmengen 9. Oktober nach GFS-Modell
Niederschlagsmengen 9. Oktober nach GFS-Modell


Nach einer vorübergehenden Wetterberuhigung wird bereits in der Nacht
zum Donnerstag von Frankreich her die nächste Welle erwartet, die mit
Wind und viel Regen über die Mitte und den Nordosten Frankreichs in
den Westen Deutschlands ziehen soll. Erneut nähert sich im Zuge der
Wellenpassage eine schwache Warmfront an, die erneut für stabilere
Verhältnisse sorgt und verhindert, dass der Wind bis zum Boden
durchgreifen kann. Daher bleiben in Westdeutschland die stürmischen
Böen auch weiterhin auf die Bergregionen beschränkt.

In der Folge schwächt sich KATRIN I über Großbritannien rasch ab,
sodass der Südwestwind überall sukzessive nachlässt. Da sich die
Luftmassengrenze jedoch weiterhin von Frankreich bis nach Deutschland
erstreckt, bleibt das wechselhafte und teils zu lang anhaltenden und
kräftigen Niederschlägen neigende Wetter jedoch weiter erhalten.



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