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12. September 2014 | Dipl.-Met. Helge Tuschy

Kaltlufttropfen bringt dem Osten und Süden Dauerregen

Bereits am Mittwoch machte sich ein Höhentief im Nordosten und Osten Deutschlands in Form zahlreicher Schauer und Gewitter bemerkbar, die im Verlauf des gestrigen Donnerstags auch auf die Mitte und den Süden Deutschlands übergriffen.

Derweil verwandelte sich das Höhentief in einen sogenannten Kaltlufttropfen. Wie im Thema des Tages vom 8. September bereits beschrieben, bedeutet die Umwandlung eines Höhentiefs in einen Kaltlufttropfen, dass sich das bodennah unter einem Höhentief befindliche Bodentief abschwächt und auflöst. Übrig bleibt ein eng begrenztes Gebiet kalter Luft in 4 bis 6 km Höhe.


Neben dieser strukturellen Eigenschaft zeichnen sich Kaltlufttropfen
durch typische Wetterentwicklungen aus. Auf der in Zugrichtung
gesehenen Vorderseite des Kaltlufttropfens wird besonders in der Höhe
deutlich kältere Luft herangeführt, was in der Meteorologie als
"Kaltluftadvektion" bezeichnet wird. Dabei strömt kalte über warme
Luft. Dies hat zur Folge, dass die Luft bestrebt ist aufzusteigen, um
den Temperaturunterschied auszugleichen. Dieser Prozess ist umso
stärker ausgeprägt, je größer die vertikalen Temperaturunterschiede
sind und es entwickeln sich dann hochreichende Quellwolken. Diese
bringen Schauer und Gewitter, was wir ja besonders am Mittwoch im
Nordosten und am gestrigen Donnerstag in der Mitte und im Süden
Deutschlands gesehen haben, als der Kaltlufttropfen von
Ostdeutschland über die Mitte nach Süden zog.

Leider hat jedoch so ein Kaltlufttropfen auch eine weniger schöne
Rückseite, denn hier findet von den Temperaturen her gesehen ein
komplett gegensätzlicher Prozess statt. Da die Luft um ein Tief herum
gegen den Uhrzeigersinn strömt, gelangt warme und feuchte Luft aus
dem Mittelmeerraum nach Norden. Dies bedeutet, dass es zu länger
anhaltenden Niederschlägen kommt. Dem aufmerksamen Leser dürfte Böses
schwanen, da der Kaltlufttropfen doch gestern auf direktem Weg nach
Süden zog und uns somit allmählich die weniger schöne Rückseite
zuwendet.

Niederschlagsmengen bis Sonntagfrüh nach aktueller Modellrechnung
Niederschlagsmengen bis Sonntagfrüh nach aktueller Modellrechnung


In der Tat soll der Kaltlufttropfen am heutigen Freitag Norditalien
und die Adria erreichen. Dadurch sorgt er nun dafür, dass feuchte
Luft von der 22 bis 24 Grad warmen Adria auf direktem Weg über den
östlichen Alpenraum und Tschechien in den Osten und Süden
Deutschlands geführt wird. Somit wird die eh schon weniger schöne
Rückseite in der Folge für den Osten und Süden Deutschlands umso
unattraktiver, da mit dieser üppigen Feuchtequelle kräftige
Regenfälle von Osten her aufziehen. Die kräftigsten Regenfälle treten
entlang der Dinariden und der Ostalpen auf, wo flächendeckend 50 bis
80 l/qm Niederschlag erwartet wird. Im Stau der Gebirge kann entlang
der nordöstlichen Adria auch lokal bis 100 l/qm Niederschlag binnen
24 h erwartet werden (Dubrovnik im Osten Kroatiens meldete von
Donnerstag 18 Uhr bis Freitag 06 Uhr eine 12-stündige Regensumme von
69 l/qm).

In Deutschland wird der heutige Freitag von der Oberlausitz bis zu
den Mittelgebirgen und bis zu den Alpen verregnet. Besonders im
Staubereich der östlichen Mittelgebirge, in Bayern aber auch in
Teilen der Nordalpen regnet es so kräftig, dass das
Niederschlagsereignis über 24 h hinweg das Dauerregenkriterium mit 20
bis 40 l/qm binnen 24 h erreichen wird. In Staulagen sowie in Bayern
kann die Niederschlagsmenge teils 50 l/qm überschreiten. Da es
bevorzugt im Südosten Bayerns und entlang der Nordalpen bis Sonntag
wiederholt mit Unterbrechungen kräftig regnet, werden dort binnen 48
Stunden um 60 l/qm erwartet, in Staulagen der Nordalpen teils
darüber.

Im Verlauf des heutigen Nachmittags nimmt die Gefahr von kräftigen
Schauern und Gewittern im Osten Deutschlands zu. Entsprechend der
Herkunft der sehr feuchten Luftmasse muss daher auch mit Starkregen
gerechnet werden.

Einzig der Nordwesten und äußerste Westen Deutschlands profitieren
von Hoch HELMUT, welches über Skandinavien liegt und mit seinen
Ausläufern die Regenwolken fernhält. Somit können sich die Menschen
dort auf einige Sonnenstunden freuen.

Die Zahlen geben die stündliche Sonnenscheindauer an (die Zahl 60 entspricht 60 min Sonnenschein pro Stunde). Man erkennt, dass der Westen und Norden Deutschlands heute auf der Sonnenseite liegen
Die Zahlen geben die stündliche Sonnenscheindauer an (die Zahl 60 entspricht 60 min Sonnenschein pro Stunde). Man erkennt, dass der Westen und Norden Deutschlands heute auf der Sonnenseite liegen


Ein weiteres Kuriosum fällt einem ins Auge, wenn man sich die
Temperaturen betrachtet. Erwartungsgemäß werden diese bei Dauerregen
in Süddeutschland bei herbstlichen 13 oder 14 Grad Celsius hängen
bleiben. Im Nordwesten Deutschlands, wo neben einigen Wolkenfeldern
die Sonne häufig scheint, steigen die Temperaturen hingegen auf bis
zu 21 Grad Celsius. Deutschlandweit gesehen jedoch die höchsten
Temperaturen dürften im äußersten Osten Deutschlands erwartet werden,
wo im Zuge der Schauer und Gewitter zunehmend warme Luft herangeführt
wird. Dort, wo sich die Sonne kurz zwischen den Niederschlägen zeigt,
werden schwül-warme 23 oder gar 24 Grad erreicht.

Zuletzt sei noch erwähnt, dass in den Westalpen die Schneefallgrenze
vorübergehend auf unter 2000 m sinkt. Da die kälteste Luft in der
Höhe jedoch in Richtung Nordbalkan weiterzieht, ist das Absinken der
Schneefallgrenze jedoch nur ein vorübergehendes Phänomen und sollte
beim Nachlassen der Niederschläge rasch wieder ansteigen.

Und während BIGI im weiteren Verlauf allmählich weiter auf den Balkan
zieht, steht laut einiger Wettermodelle bereits der nächste
Kaltlufttropfen in den Startlöchern, um im Verlauf des Sonntags von
der Ostsee auf den Norden Deutschlands überzugreifen. Die Entwicklung
und Zugbahn dieses Kaltlufttropfens ist der Natur dieser Phänomene
entsprechend jedoch noch sehr unsicher.



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