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05. September 2014 | Dipl.-Met. Adrian Leyser

Herbst am Mittelmeer: Wenn Unwetter fast alltäglich werden

Im Thema des Tages vom 31. August wurde das sogenannte "High Impact Weather" (HIW) des westlichen Mittelmeerraum ausführlich beschrieben. Es handelt sich dabei um Wetterlagen, die hohes Schadenspotenzial mit sich bringen. Meist eher kleinräumige Tiefdruckgebiete, die sich am Mittelmeer bevorzugt in den Herbstmonaten September bis November entwickeln, führen teilweise zu erheblichen Niederschlagsmengen.

Zwar wollten wir mit diesem Artikel natürlich nicht den "Teufel an die Wand malen", allerdings muss konstatiert werden, dass sich eine eben solche Wetterlage in den ersten Septembertagen im Umfeld der Adria bereits manifestierte. Denn in Italien und den westlichen Balkanländern sorgten wiederholt auftretende, schwere Gewitter mit Starkregen, Hagel und Sturmböen für beträchtliche Schäden.


Am 1. und 2. September arbeiteten sich die Gewitter vom nördlichen
Adria-Umfeld auf breiter Front sukzessive südwärts vor. Besonders in
Italien und Kroatien gab es Überflutungen und Erdrutsche, viele
Straßen waren nach den Unwettern unpassierbar. An einigen Stationen
fiel binnen weniger Stunden doppelt so viel Niederschlag wie
durchschnittlich im ganzen September. Als Beispiel soll an dieser
Stelle die Station Dubrovnik (Kroatien) genannt sein, die eine
24-stündige Niederschlagssumme von 191,0 Litern auf den Quadratmeter
registrierte. Zum Vergleich, im gesamten September sind dort auf
Grundlage des vieljährigen Mittels nur 89,4 Liter Regen auf den
Quadratmeter zu erwarten. Auch Hvar (130,0 l/qm) und Komiza (107,3
l/qm) im Südosten Kroatiens meldeten beachtliche Mengen. Ganz
besonders intensive Gewitterzellen brachten zudem großkörnigen Hagel
hervor. Zum Teil wurden die Hagelkörner so groß wie Golfbälle.
Sturmböen ließen als weitere Begleiterscheinung viele Bäume
umstürzen, so beispielsweise in der italienischen Hauptstadt Rom.

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Auch am 3. und 4. September gab es weitere Gewitter, die punktuell
sehr heftig ausfielen. Brennpunkt war nun insbesondere das südliche
Umfeld der Adria. Im italienischen Pescara wurde am 3. September eine
24-stündige Niederschlagssumme von 192,0 Litern auf den Quadratmeter
gemeldet. Dies entspricht etwa der dreifachen durchschnittlichen
Monatssumme für September. Am 4. September wurde der nördliche Teil
der italienischen Region Apulien am heftigsten getroffen. Durch die
Straßen des kleinen Städtchens San Marco in Lamis walzten meterhohe
Wasser- und Schlammlawinen, die alles mit sich rissen, was ihnen in
die Quere kam. Im nahegelegenen Monte Sant'Angelo gingen 134,0 Liter
Regen auf den Quadratmeter binnen 24 Stunden nieder. Am Tag zuvor
sogar 141,0 Liter, sodass im 48-stündigen Zeitraum insgesamt 275,0
Liter pro Quadratmeter zusammenkamen. Im Anbetracht dieser Zahlen,
ist es nicht verwunderlich, dass es dabei zu größeren Schäden
gekommen ist.


Wie ist nun diese turbulente Wetterphase zu erklären? Wie schon in
der Einleitung dieses Artikels angedeutet und im Thema des Tages vom
31. August erläutert, kommt es in den Herbstmonaten verstärkt zu
Tiefdruckentwicklungen im Mittelmeerraum. Entscheidend sind die im
Herbst noch sehr warmen und sich nur zögerlich abkühlenden
Wasseroberflächentemperaturen im Zusammenspiel mit den ersten,
kräftigeren Kaltluftvorstößen, die vor allem in höheren Luftschichten
für eine vorübergehende, deutliche Abkühlung sorgen. Das sich dadurch
einstellende große Temperaturgefälle zwischen niedrigen und höheren
Luftschichten begünstigt die Entstehung von kräftigen Schauern und
Gewittern sowie das fortwährende Heranreifen von Tiefdruckgebieten.

Ende August erfolgte ein solcher Kaltluftvorstoß in Form eines mit
kalter Luft angefüllten Höhentiefs, also eines Tiefs, das sich nur in
den höheren Luftschichten abzeichnete. Dieses auch passend als
"Kaltlufttropfen" bezeichnete Höhentief verlagerte sich mit seinem
Kern von der Nordsee kommend über Deutschland und die Alpen hinweg
nach Italien und weiter südostwärts. Über Italien und dem warmen
Mittelmeer angekommen, war es schließlich maßgeblich beteiligt bei
der Initiierung einer neuen Zyklogenese - wie wir Meteorologen eine
Tiefdruckentwicklung fachmännisch bezeichnen. Da das Höhentief nun
fortlaufend an ein korrelierendes Bodentief gekoppelt war, verlagerte
es sich nun nicht mehr als "Kaltlufttropfen", sondern als Teil eines
hochreichend ausgeprägten Tiefdruckkomplexes weiter. Dies allerdings
mit abnehmender Geschwindigkeit, sodass die Gebiete um das
Adriatische Meer herum über Tage hinweg mit dessen Auswirkungen zu
kämpfen hatten - Unwetter wurden in diesen ersten Septembertagen
leider und im wahrsten Sinne des Wortes zum Alltag.


© Deutscher Wetterdienst

Bild: DWD