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04. September 2014 | Dipl.-Met. Helge Tuschy

Knapp daneben ist auch vorbei

Hurrikans, die das Wetter in Mitteleuropa bestimmen, sind ja an sich nichts Unbekanntes. Doch in diesem Jahr ist es auffällig, wie sehr diese Stürme bisher unser Sommerwetter beeinflusst haben. Umso beeindruckender, wenn man bedenkt, dass die aktuell laufende Hurrikansaison im Atlantik bisher als "leicht unterdurchschnittlich" angesehen werden kann.

Heute Morgen war das Wetter in Deutschland erneut zweigeteilt. Verantwortlich hierfür sind Hoch Görge über der Ostsee und Tief Angelika über der nördlichen Adria, die unterschiedlich feuchte Luft nach Deutschland führen.
Heute Morgen war das Wetter in Deutschland erneut zweigeteilt. Verantwortlich hierfür sind Hoch Görge über der Ostsee und Tief Angelika über der nördlichen Adria, die unterschiedlich feuchte Luft nach Deutschland führen.


"Bertha" und "Cristobal" waren die einzigen Tropenstürme der Saison,
denen es gelang, bis auf den Nordatlantik und vor die Tore Europas zu
ziehen. Solche Ex-Hurrikans sind immer für das Wetter in Europa
interessant. Sie sorgen nicht selten durch ihre Stärke (als Sturm-
oder gar Orkantiefs über dem Nordatlantik) für eine komplette
Umstellung der vorherrschenden Wetterlage.

Trotz der relativ inaktiven Saison wurde wie bereits erwähnt Ende
August ein Tropensturm auf die Reise gen Osten geschickt. Sein Name
war "Cristobal", nach seiner Umwandlung in ein außertropisches Tief
"Ex-Cristobal". Auf diesen Sturm waren alle Augen gerichtet, denn er
sollte beständigeres und stabileres Wetter nach Mitteleuropa bringen.
Im Thema des Tages vom 28. August wurde bereits der Lebensweg des
Tropensturms aufgezeigt. In der Folge soll nun auf seine Auswirkungen
eingegangen werden.


"Ex-Cristobal" zog als veritables außertropisches Sturmtief mit
einem Kerndruck von unter 970 hPa auf direktem Wege nach Island und
überquerte die Insel unter Abschwächung im Verlauf des 31. August von
Südwest nach Nordost. Für uns in Deutschland war die frohe Nachricht,
dass wir vorderseitig von "Ex-Cristobal" zu liegen kommen sollten und
so warme Luft nach Europa strömen sollte. Dies war dann auch der
Fall.

Als ein Beispiel möge die Station "Lerwick" auf den Shetlands,
nordöstlich von Schottland dienen. Ballonaufstiege ermittelten am 30.
August in 4 km Höhe über Grund eine Temperatur von -11 Grad. 24
Stunden später im Zuge der Warmluftzufuhr von "Ex-Cristobal" stieg
sie auf - 4 Grad an. Dies mag als nicht viel erscheinen, erleben wir
doch immer wieder mal spürbare Temperaturanstiege oder -rückgänge mit
Durchzug von Warm- oder Kaltfronten. In dieser Höhe über Grund jedoch
sind das aber keine unerheblichen Temperaturdifferenzen. Solch eine
hochreichende Erwärmung sorgt für die Ausbildung eines kräftigen
Hochdruckgebietes, das eben nicht nur bodennah, sondern bis in
mittlere Troposphärenschichten (z.B. 4 bis 5 km) ausgeprägt und somit
stabiler und langlebiger ist.

Die genaue Zugbahn von "Ex-Cristobal" war ausschlaggebend, wo sich
dieses Hochdruckgebiet bilden würde und auf welcher Seite des Hochs
wir in Deutschland liegen würden. Leider fand in diesem Fall der
Vorstoß der warmen Luft recht weit nördlich statt, nämlich über
Skandinavien. Wieso "leider" sei in der Folge kurz dargestellt:

Aktuell können wir das Ergebnis von "Ex-Cristobals" Warmluftvorstoß
auf unseren Wetterkarten sehen. Hoch "Görge" liegt mit einem
Kerndruck von über 1030 hPa über der Ostsee. Deutschland ist auf der
Südflanke dieses Hochs zu finden und die Luftmasse, die zu uns
geführt wird, rührt aus dem Balkan. Dort tobt seit Tagen ein
kräftiges Höhentief und sorgt für zahlreiche kräftige Schauer und
Gewitter. Heute (Donnerstag) und morgen ziehen in der südöstlichen
Strömung wiederholt die Reste dieser Schauer und Gewitter in Form von
ausgedehnten Cirrenfeldern über weite Bereiche Deutschlands.
Besonders in Süd- und Westdeutschland können diese Wolkenfelder auch
zeitweise recht dicht ausfallen. Ausgenommen davon ist
Norddeutschland, wo die Nähe zum Hoch und die aus dem Hoch
ausfließende trockene Luft für sonnigeres Wetter sorgen. Das dürfte
die Urlauber zum Beispiel an Nord- und besonders der Ostsee erfreuen.


Zum Wochenende verlagert sich das bestimmende Hochdruckgebiet jedoch
unter Abschwächung nach Osten und erlaubt einem für die
Wettervorhersage tückischen Wetterelement in die Vorhersage
einzugreifen: sogenannte "Kaltlufttropfen" (Höhentiefs ohne
dazugehöriges Bodentief) oder "Höhentiefs". Dies sind sehr engräumige
Gebiete mit höhenkalter Luft, die dank ihres geringen Durchmessers
von den Wettermodellen nur schwer erfasst werden können, sodass die
Zugrichtung und Intensität auch nur schwer vorhergesagt werden kann.
Abgeschlossene Höhentiefs treten besonders gerne bei sogenannten
blockierenden Wetterlagen auf, also wenn sich die Wettersysteme nur
sehr langsam und sich nicht wie bei einer Westwindwetterlage rasch
von West nach Ost verlagern. Genau solch eine Lage haben wir die
kommenden Tage.

Eine Tiefdruckrinne, welche sich aus mehreren kleinräumigen
Höhentiefs zusammensetzt, wird für Freitag in West-/ und
Nordwestdeutschland erwartet. Diese erfasst am Samstag dann ganz
Deutschland. Entsprechend der Struktur solcher Höhentiefs wird
kühlere Luft in 4 bis 6 km Höhe über dem warmen Grund geführt.
Dadurch nimmt die Temperatur mit der Höhe rasch ab. Das heißt, die
Luftmasse wird labiler und es treten Schauer und Gewitter auf.


Trotz der Wolken und Niederschläge steigen die Temperaturen besonders
am Freitag und Samstag auf sommerliche Werte um 25 Grad. Die
Meteorologen haben jedoch ein Auge auf die Entwicklung eines weiteren
und noch kräftigeren Kaltlufttropfens, der zum Wochenende nach
Übereinstimmung der meisten Modelle über die Nordsee langsam in
Richtung Deutschland driften soll. Wie stark die Auswirkungen auf das
Wetter in Deutschland sein werden ist noch sehr unsicher, aber
besonders der Süden könnte davon erst einmal wenig zu spüren
bekommen.

Finnland hingegen profitiert von "Ex-Cristobals" Warmluftzufuhr, denn
in den kommenden Tagen zeigt sich dort bei beständig stabilem und
sonnigem Wetter der Spätsommer von seiner besonders schönen Seite.
Daher lassen sich hinsichtlich der positiven (sonnigen und
spätsommerlich warmen) Auswirkungen von "Ex-Cristobal"
zusammenfassend nur sagen: knapp daneben ist leider auch vorbei...



© Deutscher Wetterdienst

Bild: DWD