18. Juni 2014 | Dipl.-Met. Simon Trippler
Schaf(s)kälte "light"
Die Schafkälte oder auch Schafskälte (der Duden kennt beide Wörter) setzt sich in diesem Jahr zwar nur in abgeschwächter Form durch, doch sind die meteorologischen Voraussetzungen für dieses Phänomen in der Druckverteilung der unteren Atmosphäre durchaus als klassisch zu bezeichnen.
Aber was versteht man unter der "Schafskälte" eigentlich?
Mit der Schafskälte wird eine meteorologische Singularität
beschrieben, die mit hoher Wahrscheinlichkeit (um 80%) jedes Jahr
zwischen dem 1. und 25. Juni auftritt. Als meteorologische
Singularitäten wiederum werden Wetterlagen bezeichnet, die häufig zu
einer bestimmten Zeit im Jahr vorkommen. Dazu gehören etwa die
"Hundstage" (heiße Tage Ende Juli/Anfang August), der
"Altweibersommer" (Ende September) oder das "Weihnachtstauwetter"
(Dezember).
Merkmal der Schafskälte ist also ein kühler Witterungsabschnitt im
Juni. Da die Hirten traditionell zum Ende des Frühjahrs ihre Schafe
scheren, kann es den fast nackten Schafen nun ziemlich kalt werden.
Bei besonders niedrigen Temperaturen ist die Situation für die Tiere
sogar durchaus gefährlich.
Ursache der Schafskälte in Mitteleuropa ist normalerweise ein
Kaltluftvorstoß aus dem Norden. Dieser kommt zustande, wenn eine
entsprechende Druckverteilung am Boden vorherrscht. Dafür muss sich
Mitteleuropa idealerweise auf der westlichen oder südwestlichen Seite
eines Tiefdruckgebietes befinden. Weil der Wind auf der Nordhalbkugel
entgegen des Uhrzeigersinns um ein Tiefdruckgebiet weht, können sich
so mit einem Nordwind kalte Luftmassen aus dem Nordpolargebiet auf
dem Weg zu uns machen.
Darüber hinaus erwärmen sich Land- und Wassermassen im Frühjahr
unterschiedlich stark. Die Nordsee ist dann noch deutlich kühler als
der europäische Kontinent. Entsprechend können Kaltluftvorstöße
markant ausfallen, weil die Polarluft durch das Meerwasser nur wenig
erwärmt wird. Im Sommer gleichen sich Land- und Wassertemperaturen
dann aber immer weiter an, sodass die Kaltlufteinbrüche abgemildert
werden.
In diesem Jahr schlägt die Schafskälte nur in einer schwächeren Form
zu. Während um Pfingsten herum noch eine südwestliche Strömung warme
bis heiße Luftmassen zu uns brachte, hat sich nun genau diese
nördliche Strömung eingestellt, mit der kühlere Luft einfließt. Dabei
hat sich in den letzten Tagen über Skandinavien und Nordrussland ein
Tiefdruckgebiet eingenistet, sodass wir in Deutschland am
südwestlichen Seite davon liegen (siehe dazu die Grafik zum
Bodendruck am 17. Juni 2014). Im Zusammenspiel mit einem
Hoch über den Britischen Inseln konnte sich somit eine nördliche
Strömung einstellen.
Bei einer gut ausgeprägten Schafskälte ist die Temperatur im
Vergleich zum langjährigen Mittel etwa 4 Grad kühler, das würde
Tageshöchsttemperaturen von 8 Grad in den Bergen bis 18 Grad im Süden
bedeuten. Da die Nordsee sich im milden Winter 2013/2014 und Frühling
2014 aber nicht so stark abgekühlt hat, liegen die Temperaturen am
heutigen Mittwoch trotz nördlicher Strömung mit 17 Grad an den Küsten
und auf den Bergen und bis 26 Grad am Main in einem für diese
Jahreszeit doch eher mäßig warmen bis warmen Bereich. Von den
üblichen Schafskälte-Temperaturen sind wir damit deutlich entfernt.
In den nächsten Tagen bleibt uns die Nordströmung erhalten und die
Temperaturen gehen aber nur am Freitag geringfügig zurück. So werden
am Donnerstag Höchstwerte von 16 bis 26 Grad, am Freitag von 14 bis
23 Grad und am Samstag wieder von 16 bis 26 Grad erwartet, wobei es
im Norden kälter sein wird als im Süden. Auch diese Temperaturen
stellen eigentlich keine Schafskälte dar. Aufgrund der Hitze um
Pfingsten herum ist es für viele jedoch eine "gefühlte" Schafskälte,
Schafskälte "light" eben. Ob wohl auch die geschorenen Schafe so
empfinden, oder ob ihnen nicht doch kalt ist?
© Deutscher Wetterdienst
Bild: DWD
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