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08. Juni 2014 | Dipl.-Met. Tobias Reinartz

Vom Fischernetz und Nudelnkochen - oder: Die Gewittervorhersage

Die Hitzeliebenden unter uns kommen derzeit voll auf ihre Kosten. Temperaturen von zum Teil 35 Grad lassen deren Herzen höher schlagen. Auch die Eisdielenbesitzer dürften sich momentan die Hände reiben.

Spätestens zum Abend hin werden sich dann aber auch viele andere, die
es nicht ganz so heiß mögen, ins Freie begeben wollen, um das schöne
Wetter zu genießen.

Vielerorts wird das am heutigen Pfingstsonntag problemlos möglich
sein, allerdings nicht überall. Heute muss bevorzugt in einem
Streifen vom Rheinland bis an die Ostseeküste mit sehr kräftigen
Schauern und Gewittern gerechnet werden, die lokal auch unwetterartig
ausfallen.

Aktuelle Warnlage Stand: 08.06.2014 10:49 Uhr
Aktuelle Warnlage Stand: 08.06.2014 10:49 Uhr


Wie Sie vermutlich bemerkt haben, steckt in obiger Aussage eine
gewisse Ungenauigkeit. Denn während in dem eben erwähnten Gebiet
mancherorts die Blitze zucken, bekommt die eine oder andere Region
dort davon wohl überhaupt nichts mit. Das Problem an der ganzen Sache
ist, dass eine genauere Prognose nicht möglich ist. Aber warum ist
das so?

Gewitter sind besonders in ihrer Entstehung sehr kleinräumige
Wetterphänomene, die von unseren Wettermodellen nicht "aufgelöst"
werden können.


Das kann man ganz grob mit einem Fischernetz vergleichen: Je kleiner
die Maschen des Netzes sind, desto kleinere Fische kann man fangen.
Beträgt die Maschenweite zwischen zwei Knoten z.B. 50 cm, wird man
Schwierigkeiten haben, einen Goldfisch zu erwischen. Ähnlich verhält
es sich mit den Wettermodellen. Das hochauflösende Wettermodell des
DWDs hat aktuell eine Auflösung, also eine Maschenweite von Knoten zu
Knoten, von 2,8 km. Gewitter sind aber vor allem während ihrer
Entstehung deutlich kleiner (wenige hundert Meter Durchmesser).
So ist es nicht selten, dass es bei Gewittern in einem Stadtteil
"Land unter" heißt, während es in einem anderen trocken bleibt.

Zur Veranschaulichung ein kleines Beispiel: Wir stellen einen Topf
voll Wasser auf den Herd und schalten diesen an. Nach einer
bestimmten Zeit, steigen kleine Luftbläschen vom Boden des Topfes
auf. Ein Gewitter örtlich und zeitlich exakt vorherzusagen, würde auf
dieses Beispiel übertragen, bedeuten, dass man auf den Millimeter und
die Sekunde exakt prognostizieren kann, wo und wann sich das erste
Luftbläschen bildet. Sollten Sie dieses Experiment beim nächsten
Nudelwasserkochen ausprobieren, werden Sie feststellen, dass das ein
unmögliches Unterfangen ist.

Was man allerdings meist recht gut vorhersagen kann, ist die
ungefähre Region, in der mit Luftbläschen bzw. Gewittern gerechnet
werden muss. In unserem Beispiel stellt diese Region der Topf dar.
Man kann sich leicht vorstellen, dass sich die Genauigkeit der
"Luftbläschen-Vorhersage" bezüglich ihres Entstehungsortes mit größer
werdendem Topf verschlechtert bzw. besser wird, je kleiner der Topf
ist.

Übertragen wir das Beispiel auf den heutigen Tag, stellt der am
Anfang erwähnte Streifen vom Rheinland bis zur Ostsee den Topf dar.
Wann und wo genau uns die Wetterküche allerdings Schauer und Gewitter
servieren wird, muss abgewartet werden.



© Deutscher Wetterdienst

Bild: DWD