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31. Mai 2014 | Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann

Völlig losgelöst: Schwerelos über den Wolken

Am vergangenen Mittwochabend machte sich Alexander Gerst, deutscher Geophysiker aus Baden-Württemberg, auf eine ungewöhnliche Reise: Er begab sich in Kasachstan zum Weltraumbahnhof, stieg in eine Kapsel und flog mit rund 28.000 km/h zur 400 km entfernten Internationalen Raumstation ISS.

Dass diese Reise ungewöhnlich ist, liegt nicht nur daran, dass die
ISS wohl für die wenigsten von uns jemals ein Reiseziel sein wird und
dass die Fortbewegungsgeschwindigkeit schneller ist als jedes
Flugzeug. Nein, eigentlich ist dort nichts so, wie wir es auf der
Erde als "normal" empfinden.

Zunächst einmal durchquerten die Astronauten innerhalb von wenigen
Minuten drei Stockwerke unserer Atmosphäre, zunächst die Troposphäre,
in der sich unser gesamtes Wetter- und Klimageschehen abspielt, und
anschließend die Stratosphäre und Mesosphäre. In der Thermosphäre,
die sich etwa zwischen 80 und 500 km befindet, war ihr Ziel erreicht.


Im heutigen Thema des Tages blicken wir ähnlich wie die
Weltraumreisenden einmal über den Tellerrand bzw. über die
Troposphäre hinaus...

Gerst und die anderen Teammitglieder sind nun für ein halbes Jahr
lang "schwerelos". Aber was bedeutet das eigentlich genau? Viele
denken, dass man schwerelos wird, wenn die Schwerkraft (auch
Gravitationskraft genannt) nicht mehr wirkt. Doch das ist nicht der
Fall. Das wird am besten mit einem Beispiel deutlich:


Wirft man einen Ball in die Luft, wirken zwei Kräfte seinem Flug
entgegen. Die eine ist der Luftwiderstand, der den Flug abbremst. Die
andere Kraft ist die oben erwähnte Schwerkraft. Sie wirkt immer
zwischen zwei Körpern, und zwar umso stärker, je geringer der Abstand
zwischen ihnen und je schwerer der Körper ist. Also zieht die Erde
den Ball an - und auch der Ball die Erde, aber letztere Anziehung
merkt man aufgrund der viel kleineren Masse des Balles kaum. Die
Schwerkraft bremst also den hochgeworfenen Ball und beschleunigt ihn
schließlich wieder Richtung Erde.
Die Weltraumkapsel, in die Alexander Gerst am Mittwoch stieg, war
aber schnell genug um nicht wie ein Ball wieder auf der Erde zu
landen. Mit etwa 7,9 Kilometern pro Sekunde muss man sich bewegen, um
auf eine kreisförmige Umlaufbahn um die Erde zu gelangen.
Übrigens befinden sich auch Wettersatelliten, die für die
Wettervorhersage von großer Wichtigkeit sind, auf einer kreisförmigen
Umlaufbahn um die Erde - allerdings deutlich höher nämlich bei ca.
36.000 km.

Fliegt man nun derart schnell um die Erde, wirkt also zum einen die
Schwerkraft. Und zwar in 400 km Höhe mit fast 90% des Wertes, der auf
der Erde herrscht. Zweitens wirkt die Fliehkraft (auch
Zentrifugalkraft genannt), in die entgegengesetzte Richtung, also von
der Erde weg. Die Fliehkraft entsteht, wenn ein Gegenstand schnell im
Kreis herumgeschleudert wird und dann nach außen saust, wie z.B. beim
Hammerwerfen. Diese beiden Kräfte gleichen sich genau aus.
Physiker beschreiben das auch so, dass sich die ISS im freien Fall in
Richtung Erde befindet. Sie fällt aber nicht runter, weil sie so
schnell geradeaus fliegt, dass sie um die Erde herumfliegt.

Ein Wassertropfen schwebt in Schwerelosigkeit an Bord des Space Shuttles Discovery
Ein Wassertropfen schwebt in Schwerelosigkeit an Bord des Space Shuttles Discovery


Den Zustand der Schwerelosigkeit wird jeder Fallschirmspringer und
jeder, der im Schwimmbad schon vom 3-Meter-Brett gesprungen ist,
schon einmal gespürt haben. Allerdings nur für ein paar Sekunden,
sodass sich wohl keiner so richtig vorstellen kann, wie sich
Alexander Gerst und die anderen Astronauten gerade fühlen.
Und während einige Leser bestimmt weiterhin von einem Flug ins
Weltall träumen, sind viele wahrscheinlich froh, den festen Boden
unter den Füßen nicht zu verlieren...



© Deutscher Wetterdienst

Bild: NASA