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09. Mai 2014 | Dipl.-Met. Adrian Leyser

Wein und Wetter

Über die diesjährig häufig außergewöhnlich milde Witterung im Winter und im Frühjahr wurde bereits viel geschrieben. Auch die Winzer verfolgten den bisherigen Wetterablauf des Jahres 2014 staunend.

Denn in diesem Jahr trieben ihre Weinreben so früh aus wie noch nie zuvor seit Aufzeichnungsbeginn. Als Referenz gilt ein Weingut bei Eltville am Rhein. Dort registrierte man den ersten Austrieb der Reben dieses Jahr am 7. April. Damit pulverisierte man den bestehenden Rekord vom 14. April der Jahre 2007, 2009 und 2011 gleich um eine ganze Woche. Davor erfolgte 1981 und 1974 an eben diesem Tag der Austrieb.

Junge Weinblätter im April
Junge Weinblätter im April


Dass mit dem frühen Vegetationsbeginn auch ein besonders lang
andauerndes Zittern einhergeht, ob es noch einmal zu Nachtfrösten
kommt, steht außer Frage. Denn die Weinreben sind in diesem Fall
vergleichbar anfällig wie alle anderen Pflanzen, die bereits
ausgetrieben haben. Droht eine frostige Nacht, versuchen die Winzer
mit aufwendigen Schutzmaßnahmen Frostschäden vorzubeugen. Dazu zählt
beispielsweise das Einsetzen von Hubschraubern. Die Rotorblätter
sorgen für große Luftwirbel, in denen sich wärmere Luft aus der Höhe
mit der sich nachts am Boden befindlichen Kaltluft vermischt. Dadurch
ist es gerade im Bereich der Reben um einige Grad wärmer, als es ohne
den Einsatz der Hubschrauber der Fall wäre. Nachtfröste können auch
im Mai noch vorkommen, wobei die Wahrscheinlichkeit für das
großflächige Auftreten von Temperaturen unter 0 Grad in Richtung
Sommer statistisch gesehen sinkt. Doch auch wenn das Zittern der
Winzer vor Nachtfrösten allmählich vorübergehen wird, ist das Wetter
weiterhin ein großes und stets präsentes Thema beim Weinbau.

Der Wein mag es wechselhaft. Ein ständiger und sich über das ganze
Jahr vollziehender Wechsel zwischen niederschlagsreichen und
trockenen Phasen ist ideal für ihn. Sowohl der Regen als auch
ausreichend Sonnenschein sind essenziell für das Wachstum der
Pflanzen und der Trauben. Für einen angenehmen und vollmundigen
Geschmack ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Zucker- und
Säuregehalt vorteilhaft. Während hohe Tagestemperaturen dafür sorgen,
dass sich in der Traube Zucker bildet, sind kühle Nächte notwendig,
damit der Säuregehalt nicht zu stark abnimmt.

Im gemäßigten Klima, welches auch in Deutschland vorherrscht, sind
die meisten Bedingungen für ein hochwertiges und reichhaltiges
Weinangebot gegeben. Am ehesten wird noch die Sonnenscheindauer zum
Problem. Je nach Weinrebensorte sind 1600 bis 2500 Stunden
Sonnenschein im Jahr ideal. Im vieljährigen Mittel werden in
Deutschland durchschnittlich aber gerade einmal etwa 1600 Stunden
erreicht. Um dem Wein trotzdem möglichst viel Sonne und Wärme bieten
zu können, werden die Reben häufig an steilen Südwesthängen angebaut.
Im Mittelmeerraum herrscht im Sommer dafür meist trockenes und
sonniges Wetter vor, womit hier das "Soll" wohl in den meisten Fällen
erfüllt wird. Dagegen besteht dort die Gefahr, dass sich aufgrund der
sehr hohen Tagestemperaturen und milden Nächte sehr viel Zucker
ausbildet und der Säuregehalt in den Trauben stark absinkt. Die Folge
sind oft alkoholreiche Weine.

An dieser Stelle sollte noch erwähnt werden, dass fernab
klimatologischer Vorgaben für die Wahl des Standortes auch die
Beschaffenheit des Bodens für den Weinbau von entscheidender
Bedeutung ist. Nicht umsonst sagt man dem Wein nach, er sei das
"Sprachrohr des Bodens".

So unterschiedlich die Böden und das Klima in den einzelnen
Weinanbaugebieten sind, so vielfältig sind auch die sich daraus
entwickelnden Weine. Vor allem im doch recht variablen gemäßigten
Klima können sich je nach Wetterablauf auch ganz unterschiedliche
Jahrgänge entfalten. Welche Weine dieses Jahr hervorbringen wird,
steht noch in den Sternen. Jedoch lässt sich mutmaßen, dass das
derzeitige wechselhafte Wetter mit wiederholten Regenschauern,
sonnigen Phasen, milden Tagen und kühlen - aber nicht frostigen -
Nächten sicherlich ein Lächeln auf das Gesicht der Winzer zaubern
könnte.


© Deutscher Wetterdienst

Bild: Joujou / pixelio.de