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21. April 2014 | Dipl.-Met. Christian Herold

Die Grenzen der Vorhersagbarkeit

Die Wettervorhersage ist nicht nur für unsere persönliche Freizeitgestaltung von Bedeutung, sondern das Wetter ist auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.

Nicht nur die Landwirtschaft ist vom Wetter abhängig, sondern zum Beispiel auch Bauindustrie, Energieversorgung sowie die Planung von Open Air Veranstaltungen. Um Planungssicherheit zu haben wollen unsere Kunden natürlich das genaue Wetter so früh wie möglich wissen. Häufiger erhalten wir daher Anfragen der Art: "Wir haben eine Veranstaltung in einem Monat, wie sieht es da mit dem Wetter aus?". In solchen Fällen müssen wir unsere Kunden enttäuschen, denn Wettervorhersagen sind für einen so langen Zeitraum nicht möglich. Doch warum sind dem Vorhersagezeitraum Grenzen gesetzt und wo liegen die Grenzen der Vorhersagbarkeit?

Um diese Frage zu beantworten, soll zunächst kurz erklärt werden, wie
Wettervorhersagen in der Regel entstehen. In der heutigen Zeit leitet
der Meteorologe seine Wetterprognose aus den Rechenergebnissen
sogenannter Wettervorhersagemodelle ab. Dabei wird von einem
Hochleistungsrechner aus einem gegebenen Anfangszustand der
Atmosphäre mit Hilfe von Gleichungen der Zustand zu einem späteren
Zeitpunkt berechnet. Der Anfangszustand ergibt sich aus den
Stationsbeobachtungen, Messungen von Bojen, Schiffen und Flugzeugen,
Ballonaufstiegen sowie aus Satelliten- und Radardaten. Wettermodelle
liefern dem Meteorologen nicht nur die Feuchte- und Druckverteilung
in verschiedenen Höhen, sondern auch Parameter wie die Temperatur,
den Bedeckungsgrad sowie die Niederschläge.

Nutzung meteorologischer Beobachtungen für den Anfangszustand der Modellvorhersagen
Nutzung meteorologischer Beobachtungen für den Anfangszustand der Modellvorhersagen


Das Problem an den Berechnungen ist jedoch, dass die Atmosphäre ein
chaotisches System ist. Das heißt, dass der zukünftige Zustand der
Atmosphäre stark von den Anfangsbedingungen abhängt. Nur geringe
Abweichungen dieser Anfangsbedingungen können in der Zukunft zu einer
völlig andern Wetterentwicklung führen. Der amerikanische Meteorologe
Edward N. Lorenz, der Begründer der Chaostheorie, veranschaulichte
diesen Effekt damit, dass ein Flügelschlag eines Schmetterlings in
Brasilien unter Umständen einen Tornado in Texas auslösen kann. Heute
ist dies als der sogenannte Schmetterlingseffekt bekannt. Lorenz
gelang zu dieser Entdeckung bei Computerrechnungen, die das Verhalten
von Gasen und Flüssigkeiten simulierten.

Nun lässt sich der Anfangszustand der Atmosphäre für die
Wettermodelle nicht beliebig genau bestimmen. Zum einen gibt es nicht
für jeden Punkt der Atmosphäre Messungen, zum anderen sind alle
Beobachtungen in einem gewissen Rahmen fehlerbehaftet. Desweitern
geben die Wettermodelle nur ein beschränktes Abbild der Wirklichkeit.
So sind Modellgleichungen zum Teil nur Näherungen. Deshalb werden die
Modellrechnungen mit zunehmender Vorhersagezeit immer unsicherer. Wie
lange das Wetter noch einigermaßen vorhersagbar ist, hängt von der
Wetterlage ab. Bei stabilen Wetterlagen, wie zum Beispiel lang
anhaltenden Hochdruckwetterlagen ist der Zeitraum entsprechend
länger, während er bei Grenzwetterlagen oft nur wenige Tage beträgt.
Im Allgemeinen gilt jedoch, dass das Wetter derzeit, ohne auf
regionale Detailprognosen einzugehen, im Mittel etwa 7 Tage
vorhersagbar ist. Bis zu 10 Tagen kann man noch einen groben Trend
angeben.
Um das Problem mit dem Chaos zumindest etwas in den Griff zu
bekommen, werden sogenannte Ensemblerechnungen durchgeführt. Das
bedeutet, dass ein Wettermodell mehrere Male mit jeweils leicht
variierten Anfangsbedingungen gerechnet wird. Wenn sich jetzt
bestimmte Wetterentwicklungen in den Berechnungen häufen, sind diese
wahrscheinlicher. Zudem lassen sich dadurch Aussagen über die
Vorhersagesicherheit treffen.

Dennoch wird sich auch in Zukunft trotz immer besserer Computer und
genaueren Messdaten, die mögliche Vorhersagezeit nur langsam
verlängern. Denn auch dann wird sich nicht jeder Flügelschlag von
Schmetterlingen erfassen lassen. Der Mathematiker und Chaosforscher
Wladimir Igorewitsch Arnold stellte fest, dass die prinzipielle
Grenze von Wettervorhersagen bei zwei Wochen liegt.



© Deutscher Wetterdienst

Bild: DWD