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Zehn Jahre danach

Elbeflut 2002
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Ein Rückblick auf die Elbeflut im August 2002 und die Folgen

Offenbach, 7. August 2012 – Vor rund zehn Jahren öffnete der Himmel über dem Osten Deutschlands seine Schleusen. Zwei Tage lang, am 12. und 13. August 2002, regnete es im Einzugsgebiet der Elbe praktisch ohne Unterbrechung und führte insbesondere in Sachsen zu katastrophalen Überschwemmungen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat dazu eine Übersicht zusammengestellt, über den Ablauf der meteorologischen Geschehnisse und was sich seit damals verändert hat.

Tief ILSE bringt Rekordniederschläge

Heute weiß man, dass eine der wesentlichen Voraussetzungen für das immense Ausmaß der Überschwemmungen die Tatsache war, dass bereits in den Wochen zuvor ergiebige Regenfälle zu einer Wassersättigung des Bodens und zu einem ersten Anstieg der Flusspegel geführt hatten. Im Juli sowie Anfang August 2002 waren mehrmals Regengebiete mit eingelagerten kräftigen Gewittern übers Land gezogen. Dabei fielen lokal begrenzt immer wieder extrem hohe Niederschlagsmengen. So gab der Deutsche Wetterdienst bereits in diesem Zeitraum überdurchschnittlich viele Wetterwarnungen und Unwetterwarnungen heraus.

Weitere Starkniederschlagsereignisse wurden vor allem in der Zeit vom 7. bis 11. August 2002 für Bayern, Österreich, Tschechien und Sachsen verzeichnet. Es kam vereinzelt zu ersten Überflutungen, weil die Wassermassen nur noch oberirdisch abfließen konnten.

In den Frühstunden des 12. August, einem Montag, zog dann der Kern des Tiefs ILSE, von der Adria kommend, über Tschechien hinweg nordwärts in Richtung Sachsen. Es verstärkte sich in den Morgenstunden dort nochmals erheblich. Eine Gegenströmung in der Höhe drückte dabei die mit enormen Mengen an Feuchtigkeit gesättigten Luftmassen gegen die Nordseiten der Mittelgebirge, so dass durch die damit verbundene erzwungene Hebung in den Frühstunden des 12. schwere Regenfälle und Gewitter auf breiter Front ausgelöst wurden. Flankiert von kräftigen Hochdruckgebieten sowohl über Ost- und auch über Westeuropa kam ILSE nicht weiter voran. Das Tief drehte sich gewissermaßen genau über dem Osten Deutschlands ein und regnete sich an dieser Stelle bis zum Ende seines Lebenszyklus komplett aus.

Dieser für ein solches Tiefdruckgebiet sehr ungewöhnliche Verlauf führte in einigen Regionen zu Regenmengen, die man dort zuvor noch nie gemessen hatte. An der DWD-Station Zinnwald-Georgenfeld, südlich von Dresden, fielen innerhalb 24 Stunden 312 Liter Regen pro Quadratmeter. Das ist der absolut höchste Tagesniederschlag, der je in Deutschland beobachtet wurde. Dieser Wert entspricht dort etwa dem vierfachen des normalen Niederschlags im gesamten Monat August. An den übrigen Stationen fielen immerhin noch zwischen 80 und 167 Liter.

Die Meteorologen des für Unwetterwarnungen zuständigen Deutschen Wetterdienstes hatten die gefährliche Lage frühzeitig erkannt und auch davor gewarnt.

Erste Wetterwarnungen bereits drei Tage zuvor

Vorsorglich hatte der DWD alle Adressaten für Unwetterwarnungen in den Ländern Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen bereits am Freitagvormittag, den 9. August 2002, für das Wochenende auf die Gefahr von Starkniederschlägen hingewiesen. In der zuständigen Regionalzentrale Leipzig sprach am Freitag wiederholt Diplom-Meteorologe Konrad Saß in Interviews mit dpa, der Sächsischen Zeitung und im Rundfunk davon, dass womöglich "in den kommenden 5 Tagen teilweise mehr Regen vom Himmel“ kommen wird, "als in den vergangenen 3 Monaten zusammen".

Aufgrund neuer Erkenntnisse gab die Regionalzentrale Leipzig am Sonntag, den 11. August 2002, gegen Mittag eine offizielle Eilmeldung für den Bereich Sachsen-Anhalt und Sachsen heraus, in der für den 12. und 13. vor einem sehr ergiebigen Regengebiet gewarnt wird. Wörtlich hieß es: „Dabei sind zunächst verbreitet Überflutungen von kleineren Flüssen und Bächen sowie Erdrutsche möglich. Da auch im Einzugsgebiet von Elbe und Neiße starke Regenfälle niedergehen, ist in der Folge mit einem starken Anstieg dieser Flusspegel zu rechnen.“ Weitere Warnungen und Informationen folgten dann praktisch im Stundentakt.

Kirchbach-Studie kritisiert Zersplitterung der Zuständigkeiten vor Ort

Nachdem in der Folge das Ausmaß der Schäden offensichtlich wurde und die Öffentlichkeit sich zu Recht fragte, ob diese bei entsprechender Vorbereitung nicht geringer ausgefallen wären, wurden auch immer wieder Vorwürfe gegen den DWD erhoben, obwohl dieser - als Behörde des Bundes - nicht für Warnungen vor Überschwemmungen oder Hochwasser zuständig ist. Diese Verantwortlichkeit liegt alleine bei den entsprechenden regionalen Hochwasserzentralen bzw. bei den Landesämtern der jeweiligen Bundesländer.

Dies bestätigte wenig später auch die Studie einer unabhängigen Kommission der Sächsischen Staatsregierung unter Vorsitz von Hans-Peter von Kirchbach. Insbesondere räumte man darin ein, dass „Wettervorhersagen wegen der allgemeinen Prognoserisiken naturgemäß unsicher“ sind. Im Fazit kritisiert die Studie dagegen die Aufsplitterungen von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten vor Ort und forderte u. a. die Einrichtung eines neuen Hochwasserwarnsystems sowie eine Bündelung der Vielzahl von Normen.

Veränderungen im Warnmanagement des DWD

Seit 2002 wurden die meteorologischen Vorhersagemodelle und das Warnmanagement des DWD stetig weiterentwickelt. Ein neuer Supercomputer ermöglicht heute schnellere und häufigere Berechnungen und neue Vorhersageverfahren. So werden inzwischen auch Wahrscheinlichkeiten berechnet, mit denen ein bestimmtes Ereignis eintreten wird. Neue Technik am Arbeitsplatz der DWD-Meteorologen ermöglicht einen umfassenden Überblick über die ständig steigende Zahl aktueller Messdaten. Dieser Informationsgewinn ermöglicht bundesweit ein rasches Reagieren auf gefährliche Wetterentwicklungen. Die Warnkriterien und Gültigkeitszeiträume für Wetter- und Unwetterwarnungen wurden insbesondere für Stark- und Dauerregen den Erfordernissen einer effizienten Hochwasservorhersage angepasst.

Wichtigster Punkt für die Verbesserung des Hochwasserwarnsystems in Sachsen war sicherlich die Einrichtung einer einzigen, landesweiten Hochwasservorhersagezentrale (HWVZ) durch den Freistaat - statt vorher dreier regional zuständiger Einrichtungen. Zwischen der neuen HWVZ und der Regionalzentrale des DWD in Leipzig finden seitdem intensive Abstimmungen statt. Das betrifft sowohl die kontinuierliche Entwicklung der gegenseitigen Datenbereitstellung, als auch den direkten telefonischen Informationsaustausch zwischen den Diensthabenden beider Einrichtungen bei stärkeren Niederschlagsereignissen.

Für die mehrmals täglich erstellten Wettervorhersagen wurden die Inhalte der Vorhersagen und die Abgrenzung einzelner Flusseinzugsgebiete in den letzten Jahren immer wieder den Erfordernissen der HWVZ Sachsen angepasst. Alle Prognosen werden fortlaufend überwacht, ggf. gibt der DWD zusätzlich Vorhersagen für Flussgebiete in Sachsen und die angrenzenden Flussgebiete in der Tschechischen und Polnischen Republik heraus. Auch die Messungen und Beobachtungen durch Wetterradargeräte der nationalen polnischen und tschechischen meteorologischen Dienste werden für die Prognosen genutzt.

Das bundesweite DWD-Warnsystem hat sich seitdem regelmäßig bewährt. Es ist heute aus dem Katastrophenmanagement der angeschlossenen Behörden und Hilfsdienste der Bundesrepublik nicht mehr wegzudenken. Wobei sich immer wieder zeigt, wie wichtig es ist, dass bei allen Warnungen vor Wettergefahren, gemäß dem Single-Voice-Prinzip, nur mit einer Stimme gesprochen wird.

Das DWD-System informiert zeitgleich Behörden, Medien und die Öffentlichkeit über verschiedene Wege vor bevorstehenden Stürmen, Gewittern, Starkniederschlägen oder Glatteisgefahren direkt und bis zu 72 Stunden im Voraus – und das bis auf Landkreis-Ebene herunter. Die Warnungen finden sich im Internet unter www.dwd.de/warnungen.

Allerdings wird es auch zukünftig nie zu 100 Prozent zutreffende Wettervorhersagen geben. Denn Wetter ist, physikalisch gesehen, ein chaotisches System. Ein Restrisiko bleibt also. Und es ist wichtig auf solche Unwetter vorbereitet zu sein, die immer wieder auftreten können. Aus historischen Berichten und an Hand von Hochwassermarken aus vergangenen Jahrhunderten weiß man, dass solche extremen Einzelereignisse wie die Elbeflut im August des Jahres 2002 zum normalen Repertoire des mitteleuropäischen Klimas gehören.

Quelle: DWD